Macabros 124: Drudan, der Mysterienmacher
Aufzuges
war zu hören.
Carminia und Björn erreichten den obersten Treppenabsatz, als
der Alte und sein Hund aus dem Fahrkorb traten.
Überrascht blickte er auf das Paar, das auf ihn zukam.
»Suchen Sie jemand?« fragte er.
Es klang freundlich und hilfsbereit.
Wer hätte in einem solchen Mann ein dämonisches Wesen
vermutet!
Hätte Björn es durch Doc Shadow nicht genau
gewußt, wären auch ihm Zweifel gekommen, obwohl er durch
bittere Erfahrungen gelernt hatte, nicht immer alles zu glauben, was
und wie er es sah. Dämonen konnten sich perfekt tarnen. Und die
Tarnung der unmenschlichen »Omegas« war mit normalen Sinnen
überhaupt nicht zu durchschauen, auch nicht mit den
herkömmlichen Abwehrmitteln, die er besaß,
aufzureißen.
Dämonenmaske, die Augen des »Schwarzen Manja«, der
Trank der Siaris und das »Schwert des Toten Gottes«
vermochten hier nichts auszurichten.
Die Menschen mit den »Omega-Seelen«, wie Doc Shadow sie
bezeichnete, waren teuflische Wesen, die auf alle diese Dinge nicht
ansprachen. Sie kamen Björn fast vor wie ein resistenter
Dämonenstamm, oder eine künstlich geschaffene Spezies, die
auf die Bann-Mittel nicht mehr ansprachen. Das Geheimnis des
Widerstandes dieser unsichtbaren Feinde, die sich echter menschlicher
Körper bedienten und von Geburt an mit ihnen groß wurden,
lag in ihrer Herkunft. Wenn es gelang, sie zu ergründen,
entdeckten sie möglicherweise auch das Mittel, um das weitere
Eindringen von »Omega-Seelen« zu verhindern.
»Wir haben bereits den gefunden, den wir suchen«,
bemerkte »Carminia Brado«. »Sie…«
»Mich?« fragte der andere erstaunt und drehte sich von
der Tür ab, die er bereits aufgeschlossen hatte.
Er blickte abwechselnd von einem zum anderen, zuckte dann die
Achseln und lächelte verloren. »Aber… das muß
ein Irrtum sein. Ich kenne Sie beide nicht.«
»Dann werden Sie uns noch kennenlernen.« Doc Shadow in
Carminias Körper antwortete ruhig und blieb gelassen.
Björn überließ ihm die führende Rolle.
Wenn sie hier wirklich einen »Omega« in die Enge
getrieben hatten, wußte Shadow am besten, was mit ihm zu tun
war.
Menschen mit »Omega-Seelen« waren unberechenbar, sie
hatten vor allem die Gabe, untereinander auf geheimnisvolle Weise
Kontakt aufzunehmen. Alle »Omegas« – der Name
rührte daher, daß sie die letzten Erben einer sterbenden,
dämonenversuchten Erde sein würden – bildeten eine
Einheit, und es bestand so etwas wie ein
Kollektivbewußtsein.
Es gab Stationen im Unsichtbaren, die genaue Kopien irdischer
Bauwerke darstellten und von Zeit zu Zeit an diesen Ort
zurückkehrten, um sich gewissermaßen mit Energie
aufzuladen. Bei diesen Gelegenheiten kam es oft dann zu
unerklärlichen Spukerscheinungen. Ein typisches Beispiel war ein
altes Castle in den schottischen Highlands, das sie als eine Falle
und ein sogenanntes »Maronn« kennengelernt hatten. Nun
wußten sie wenigstens schon, was in etwa ein »Maronn«
war. Ein Ort, der als Verbindung zu einer fernen Welt diente und
Durchgangsstation für die Omega-Seelen war. Ohne
»Maronn«, ohne diesen besonderen Ort, war dies offenbar
unmöglich.
»Wollen Sie mir etwas verkaufen?«
»Sie sind Mister Smith, nicht wahr?« ging Carminia auf
die Frage gar nicht ein.
»Ja, richtig. Woher wissen Sie…?«
Da unterbrach er sich, als er den Blick aus den dunklen Augen der
Frau verfolgte.
Das Namensschild an der Tür.
»John Smith…«, lächelte die schwarzhaarige
Schönheit. »Ein Allerweltsname… ein
Allerweltsgesicht… Je nachdem, wie es ein ›Omega‹
braucht… er ist mitten unter denen, die nicht auffallen, die
scheinbar bedeutungslos sind… ein Teil der Masse… und er
ist unter denen, die das Sagen haben und Entscheidungen treffen…
Vielleicht kann man sich die Rolle, in die eine
›Omega-Seele‹ gerät, vorher nicht aussuchen und nicht
wissen, was aus dem einen oder anderen wird… Aber daß es
in der Welt seit eh und je Klassenunterschiede in Herkunft und
Bildung gab, dürfte euch ja auch nicht entgangen sein. Eine gute
Streuung eurer Art in allen Schichten scheint der ideale
Nährboden zu sein, um alles zu unterminieren.«
John Smith stand da und starrte die Sprecherin an, als sei sie
nicht ganz richtig im Kopf.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte er
achselzuckend. »Warum belästigen Sie mich? Gehen Sie,
lassen Sie mich in Ruhe.«
Da streckte Carminia Brado die Hand aus.
Es ging blitzschnell.
Sie umklammerte das Handgelenk des Alten und hielt es
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