Macabros Neu 02 - Athkrala - Seuchengezuecht des Molochos
sie den Arm aus und wies auf die Wand neben den abstürzenden Fluten. Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe riss pulsierenden Schleim aus der Düsternis.
Dicke Stränge zogen sich in die Tiefe …
»Gehen wir.« Ernst Hiefelmann strahlte mit einem Mal tiefe Entschlossenheit aus.
»Ich sollte vorgehen«, sagte Danielle. Sie hob demonstrativ das Feuerzeug, mit dessen Hilfe sie ihren Trick wiederholen konnte.
Mit festen Schritten nahm sie Stufe um Stufe. Rani Mahay folgte ihr dichtauf.
Vorsichtig beleuchtete Danielle jede Stufe, ehe sie sie betrat. Wahrscheinlich befürchtete sie genau wie Rani, in eine Ansammlung der Schleimmasse zu treten – was dann geschehen würde, wusste niemand. Konnten sie sich das Seuchengezücht noch einmal vom Leib reißen, oder blieb, wie der Name nahe legte, derjenige für immer infiziert, bis er schließlich als leergefressene Hülle starb?
Als sie das Ende der Treppe erreichten und den Wasserabsturz einige Meter hinter sich ließen, gesellte sich zu dem Gurgeln des Wassers ein feuchtes Platschen.
Rani legte Danielle die Hand auf die Schulter. »Sieh dort!«
In dem Wasserstrom trieben träge dicke Stränge des Seuchengezüchts. Als der Strahl der Taschenlampe sie traf, leuchteten sie fahlgelb. Von der Decke hingen glänzende Fäden der Masse, dünn wie Spinnenfäden, und schaukelten hin und her.
Der Gestank war kaum noch erträglich.
Rani spürte das Bedürfnis, die Auswüchse des Gezüchts in Brand zu setzen – doch solange sie keine Anzeichen machten, ihn oder einen seiner Begleiter anzugreifen, würden auch sie sich friedlich verhalten. Wichtiger war, herauszufinden, ob sich Paul Horner tatsächlich in der Nähe aufhielt.
Der Inder ging den nächsten Schritt – und zuckte erschrocken zusammen, als es unter seinen Füßen platschte. Gleich darauf atmete er erleichtert aus. Eine Pfütze, nichts weiter …
Gleich darauf blieb er stehen. Er hatte ein Geräusch gehört. Es wurde fast vom Gluckern des Abwassers verschluckt, doch als Rani horchte, vernahm er es ganz deutlich. Ein schweres, rasselndes Atmen.
Und dann sahen sie ihn.
Der Mann war kaum noch zu erkennen, so sehr überwucherte ihn das Seuchengezücht des Molochos. Er lehnte mit dem Rücken gegen eine Wand. Die Beine, Hüften, der Bauchraum bis über den Brustkorb versanken unter einem schleimigen, schmatzenden Berg. Dicke Fäden zogen sich geleeartig, als er die Arme bewegte und mit einer Hand den Stab eines Gitters umfasste, das über ihm einen Durchbruch zu einer dahinterliegenden Staukammer verdeckte. Fast schien es, als wolle er sich noch einmal aufbäumen, sich hochziehen – doch das war von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Die schleimigen Fäden zogen sich auch über Hals und Gesicht, nur noch nicht so dicht, dass er nicht mehr hätte sehen und sprechen können.
Der Mann starrte die Neuankömmlinge an.
»Flieht …«, krächzte er.
Rani bedeutete den anderen, dass diesmal er das Gespräch führen wollte. Er hielt den nötigen Abstand, denn langsam schob sich das Seuchengezücht bereits in seine Richtung. »Paul Horner?«
Horners Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, als er den Oberkörper einige Millimeter von der Wand wegdrückte. Mit saugendem Geräusch löste er sich; das Seuchengezücht floss sofort zäh wie dicker Sirup in den entstehenden Hohlraum.
»Wir haben mit Ihrem Bruder gesprochen«, sagte Rani. Ihm fiel ein rundes Amulett auf, das Horner an einer Kette um seinen Hals trug. Auch dieses Amulett war halb mit Ausläufern des Seuchengezüchts bedeckt. »Und wir werden alles tun, um Sie zu befreien.«
»Mir … kann keiner mehr helfen. Frank … Er hat mich in eine Falle gelockt … Macht nichts … zahle den Preis …«
Dem Koloss von Bhutan lief bei diesen abgeklärt hervorgestoßenen Worten ein kalter Schauer den Rücken hinunter. »Wir benötigen Ihre Hilfe, Paul! Wir müssen die ›Chronik der Totenpriester‹ finden, ehe sie noch mehr Unheil stiftet!« Rani konnte nur hoffen, dass der Mann vor ihm, der einst die Dämonen angebetet hatte, durch sein Schicksal geläutert worden war. »Sie sehen, wohin es führt, sich dem Bösen zuzuwenden. Helfen Sie uns.«
»Rha-Ta-N’my … Sie hat uns ihr Erbe anvertraut … doch wir haben versagt … wir alle …«
»Wo ist die Chronik, Paul?«
Doch der andere schien ihn überhaupt nicht zu hören. Er redete wie in Trance. »Es war zu viel … zu schrecklich … wir bekamen Angst. Nur unser Anführer machte weiter …«
Rani überlegte
Weitere Kostenlose Bücher