Macabros Neu 02 - Athkrala - Seuchengezuecht des Molochos
kleinen Finger. Mittel-und Ringfinger überkreuzte sie dabei; der Daumen wies genau auf das Schloss der Hotelzimmertür. Ein leises Knacken ertönte. Danielle de Barteauliee legte die Hand auf die Klinke und öffnete, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Ihre Hoffnung wurde nicht erfüllt. Kaum schwang die Tür nach innen, wehte ihnen ein pestilenzartiger Gestank entgegen. Sie waren offenbar zu spät gekommen!
Auch Rani hegte daran keinen Zweifel. Er kannte diesen Geruch nur zu gut. Dies war Ath’krala, das Seuchengezücht des Molochos …
Sie schlossen die Tür hinter sich.
Das Opfer lag auf dem breiten Bett. Das rechte Bein hing schlaff über die Kante bis zum Boden – oder besser, was vom Bein noch übrig war. Nur der Knochen und die Haut …
Dicke Schleimwülste überwucherten die Leiche gänzlich. Sie pulsierten und glänzten gelblich. Das Licht der edlen Kristalllampe, die zu dieser Tageszeit völlig sinnlos eingeschaltet war, reflektierte auf ihnen.
Mit einem Mal lag ein hohes Fiepen in der Luft, ähnlich einem insektenhaften Kreischen. Die Schleimmasse zog sich blitzartig zusammen, floss in einem breiten Strom zum Kopfende des Bettes und von dort aus die Wand hoch.
Ehe der vollkommen verblüffte Rani Mahay zu einer Reaktion fähig war, verschwand die Masse durch das Gitter einer Ventilationsöffnung.
Da erst erkannte der Koloss von Bhutan, dass das, was das Seuchengezücht zurückgelassen hatte, ganz sicher nicht Anthony Wilson, der Anführer eines Dämonenkultes war. Denn welch einen makaberen und entsetzlichen Anblick die schlaff eingefallene Haut auf dem bloßen Schädelknochen auch bot – dies war zweifellos die Leiche einer Frau.
»Verschwinden wir von hier.« Rani blickte auf die Ventilationsöffnung in der Decke. »Wenn uns jemand sieht, werden wir in arge Erklärungsnot kommen.«
»Das kann uns ohnehin blühen. Immerhin haben wir uns an der Rezeption nach Wilson und seiner Zimmernummer erkundigt. Die örtlichen Behörden sind nicht gerade zimperlich, was Mordfälle anbelangt. Ist dir aufgefallen, wie viele Polizeibeamte mit umgehängten Maschinenpistolen durch die Stadt patrouilliert sind?«
Danielle hatte recht.
Auf spitzen Zehen verließen sie das Zimmer, und die Tochter des Comte de Noir sorgte mit ihren Hexenkräften dafür, dass der Riegel hinter ihnen wieder lautlos in das Schloss zurückglitt.
Zum selben Zeitpunkt verließ ein Mann, der in einen teuren Seidenanzug gekleidet war, das Restaurant des Hotels. Er blickte sich panisch um, als befürchte er, aus allen Richtungen zugleich attackiert zu werden.
Er trat an die Rezeption und trommelte ungeduldig mit den Fingern darauf, weil niemand bereitstand. Nur Sekunden später eilte eine junge Frau zu ihm. »Mr. Wilson – haben Ihre Geschäftspartner Sie gefunden?«
Für einen Augenblick zog er die Augenbrauen zusammen, dann nickte er. »Sie hatten gerade noch Glück. Wir konnten alles Notwendige besprechen. Ich muss nun abreisen.«
»Abreisen? Aber Ihre Reservierung dauert doch drei Tage an.«
»Bereitet das irgendwelche Probleme?«
»Selbstverständlich nicht. Sie wissen doch, dass Stammgäste in unserem Haus stets unkompliziert behandelt werden.«
»Rufen Sie am Hafen an«, verlangte Anthony Wilson. »Lassen Sie auf der Santa Johanna eine Kabine für mich reservieren.«
»Eine Überfahrt mit der Fähre, Mister Wilson? Welche der Inseln ist Ihr Ziel?«
»Sibuyan. Um die Rückfahrt kümmere ich mich dort.«
»Sehr wohl. Das Ticket wird für Sie bereitliegen, wenn Sie den Hafen erreichen.« Sie blätterte in einem Stapel Papiere. »Ihnen bleiben bis zur Abfahrt zwei Stunden. Das sollte ausreichen.«
Wilson nickte beiläufig, zahlte die fällige Rechnung in bar, schaute sich wieder gehetzt um und verschwand mit einem schmalen Koffer als einzigem Gepäckstück aus dem Hotel.
Rani hatte ein ungutes Gefühl. »Es gefällt mir nicht, dass das Seuchengezücht so schnell verschwunden ist, als wir das Zimmer betreten haben.«
»Es ist, als hätte es gewusst, dass wir zwei ernstzunehmende Gegner sind. Zwei, die einen anderen Teil des Gezüchts bereits vernichtet haben.«
Sie standen allein in der Fahrstuhlkabine und fuhren zurück ins Erdgeschoss, um noch einmal mit der Dame an der Rezeption zu sprechen. Sie hatten beschlossen, den Leichenfund zu melden. Wenn sie ein wenig die Wahrheit verbogen, würden sie nicht in Schwierigkeiten geraten. Und dass sie nicht die Täter waren, würde ein einziger Blick auf die Leiche
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