Macabros Neu 02 - Athkrala - Seuchengezuecht des Molochos

wohl drinnen war. Lauter als es nötig gewesen wäre, klopfte Rani an und öffnete noch im selben Moment, ohne eine Bestätigung abzuwarten.
    »Raus hier«, schnauzte der Arzt ihn an, der ihm den Rücken zuwandte. »Sie kommen nachher dran.«
    Rani ahnte Böses, als er die Panik in der Stimme des Mediziners hörte. Statt der Aufforderung zu folgen, trat er ein.
    Der Arzt wirbelte herum. Er trug ein verflecktes Hemd und hielt ein Stethoskop in der Hand. »Raus hier, haben Sie nicht gehört? Ich habe einen Patienten!«
    »Dem sie nicht helfen können«, sagte Rani, als er an dem Philippino vorbeiblickte und auf einer Pritsche eine junge Frau sah, die ihre Beine entblößt hatte und über deren rechtem Knie die gelbliche Masse des Seuchengezüchts pulsierte …
    »Wir wissen, was das ist«, sagte Rani bestimmt.
    »Ach ja! Dann klären Sie mich verdammt noch mal auf, Freundchen!«
    »Zuerst noch eine Frage – ist sie die einzige?«
    Ein Kopfschütteln. »Oh nein … verdammt noch mal, nein … Ich war unten bei den einfachen Schlafplätzen … Dort ist die Hölle los …«
    In einer anderen Welt,
    gefangen im Augenblick
    »Ich begleite nicht weiter … Dort draußen ist es zu hell«, sagte das leuchtende Spinnenwesen zu Björn Hellmark und dem Hundertsten. »Wir sind Freunde … Merkt euch das … Vielleicht sehen wir uns wieder.«
    Björn nickte und verneigte sich leicht vor dem Wesen. Vielleicht erkannte es die Bedeutung dieser Geste. »Du und dein Volk, ihr werdet mir in bester Erinnerung bleiben. Auch ich hoffe auf ein Wiedersehen – und darauf, dass ihr vielleicht eines Tages ohne Gefahr im Knochental … Licht essen könnt.«
    Ein letztes Funkeln des Augenkranzes, dann huschte der Spinnenartige herum und trippelte zurück in die Düsternis des Höhlenganges. Sein Leuchten verlor sich in der Ferne und war schon bald nicht mehr zu sehen.
    Vor den beiden ungleichen Gefährten endete der unterirdische Gang in einem weiten, torartigen Bogen. Die Wände bestanden nicht mehr nur aus dem nackten Felsgestein, sondern waren mit Reliefs bedeckt. Zehn sternförmig angebrachte Säulen stützten die hohen Decke.
    Ich kenne die Optik dieser Gestaltung, sandte der Torrax telepathisch. Es ist genauso, wie ich vermutet habe. Wir stehen im Inneren des Schreins des vergangenen Lichtes. Was unsere Legenden sagen, entspricht also der Wahrheit. Tatsächlich führt von hier aus ein Weg zu den heiligen Wesen selbst. Nur warum sich diese seit Ewigkeiten nicht mehr zeigen, das war uns unbekannt.
    »Nun wisst ihr es«, murmelte Björn. »Die freie Natur unter Itarons Himmel ist ihnen tatsächlich zu hell … und weil die Welt im Augenblick gefangen ist und die Sonne nicht wandert, gibt es auch keine Nacht, die ihnen wohltuende Dunkelheit bringen würde.«
    Das Baumwesen erwiderte nichts, vermutlich, weil es mit dem Begriff »Nacht« nichts anfangen konnte.
    Gehen wir durch den Ausgang – der Schrein ist ein beeindruckendes Bauwerk, das aus uralter Zeit stammt. Wir sind nicht mehr sehr weit von unserem Hain entfernt, unserer Wohnstätte, wenn du so willst. Es ist gut möglich, dass die anderen bereits mehr wissen über das Schicksal deiner entführten Begleiterin. Es wird nicht unbemerkt geblieben sein, dass ein fremdes Wesen nach Ita-Sergaron gebracht wurde.
    Sie eilten durch die zentrale Halle des Schreins, an den Säulen vorbei. Der Torrax konnte sich endlich aus der gebückten, ineinander gefalteten Haltung lösen und richtete sich Ast für Ast wieder auf. Sein gespaltener Hauptstamm drückte sich mit einem Knarren auseinander – es war kaum noch zu erahnen, dass die »Verletzung« auf eine entsetzliche Verletzung zurückzuführen war. An der Bruchstelle wuchs bereits neue Rinde, heller als die übrige, aber sonst nicht zu unterscheiden. Das Baumgeschöpf verfügte ganz offensichtlich über erstaunliche Regerationsfähigkeiten.
    Björn betrachtete beiläufig die Reliefs an den Wänden. Sie zeigten Szenen, in denen Bäume – oder Torrax – vor leuchtenden Erscheinungen standen und diesen die Äste entgegenstreckten. In der Nähe des Lichts sprossen jeweils Blätter.
    So einfach die Symbolik dieser Bilder war, so aussagekräftig war sie auch. Björn lief ein Schauer über den Rücken, wenn er daran dachte, wen die Torrax in diesem Schrein ehrten – die naiven, gutmütigen Spinnenwesen, die nicht einmal etwas davon wussten, sondern ihren eigenen Überlebenskampf zu bestehen hatten.
    Björn sah durch das Tor des Schreins nach draußen.