MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
damit verbracht hatte, ihm seine Fehler unter die Nase zu reiben.
»Ich wollte sie nicht aufzählen, Lochlan. Meine Absicht war vielmehr, mich mit dir zu unterhalten, um uns die Zeit zu vertreiben. Wenn es dir lieber ist, schweigend zu gehen, dann werde ich mich darum bemühen, das zu achten.«
Er neigte den Kopf, und das tat er so vornehm und elegant, dass sie sich beherrschen musste, ihn nicht deswegen aufzuziehen. »Vergib mir, wenn ich anmaßend war, Mylady. Bitte, setze deine Befragung fort.«
Cat hob erstaunt eine Braue bei dieser unerwarteten Antwort. »War das ein Scherz?«
»Offensichtlich ein schlechter, wenn du erst nachfragen musst.«
»Aber es war ein Versuch, daher bin ich stolz auf dich.« Einen Moment lang beobachtete sie ihn, der ein Stück vor ihr ging. Er hatte einen kraftvollen männlichen Gang, selbstsicher und aufrecht und als rechnete er jeden Moment damit, sich verteidigen zu müssen. Es war der Gang eines Kriegers, nicht elegant oder vornehm. Sein Blick schweifte ständig umher, wachsam, als hielte er Ausschau nach möglichen Gefahren.
Das hatte etwas unglaublich Fesselndes. Und sie fand es seltsam, dass er hier so allein, ohne Diener oder Ritter unterwegs war.
»Hast du die ganze Reise ohne Begleiter zurückgelegt?«
Er schaute zu ihr. »Den größten Teil, ja. Pagans und meine Wege haben sich getrennt, kurz bevor ich das Boot bestieg, um England zu verlassen.«
Sie lächelte bei der Erinnerung an ihren alten Freund. Pagan hatte sich von ihr und ihrer Familie verabschiedet, als sie noch in Schottland waren, um sich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern. Er war ein meist missgestimmter Mann, aber seine Freundschaft bedeutete ihr viel. »Oh, wie er mir fehlt! Er war immer so sarkastisch und makaber.«
»Und das vermisst du?«
»Aye. Seine schlechte Laune war manchmal richtiggehend amüsant.«
Statt einer Antwort blieb Lochlan jäh stehen und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, still zu sein.
Cat hätte gefragt, was los war, aber sie sah ein, dass Schweigen jetzt besser wäre.
Er spähte in die Bäume um sie herum und legte den Kopf schief, als lauschte er auf etwas.
Sie stellte sich leise neben ihn und erkundigte sich flüsternd: »Stimmt etwas nicht?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher.«
Bei diesen kaum hörbaren Worten musste sie schlucken. Während er weiter mit den Augen die Umgebung absuchte, wurde sie sich seiner Nähe überdeutlich bewusst. Sie hatte vergessen, wie groß Lochlan war. Wenn er inmitten seiner Brüder stand, ging er schon mal unter ihnen verloren.
Aber mit ihm ganz allein - das war außerordentlich beunruhigend. Seine Schultern waren breit und muskulös. Die Bänder seines Waffenrockes hatten sich gelöst, sodass sie seine Brustmuskeln sehen konnte. Eine seiner Hände lag die ganze Zeit auf dem Schwertknauf an seiner Seite, bereit, es jeden Augenblick zu ziehen.
Eigentlich fand sie blonde Männer immer ein bisschen nichtssagend und weibisch. Doch an ihm gab es nichts Blasses oder Weibisches. Er hatte scharfe, gut geschnittene Züge, und seine Augen Versengten sie fast mit ihrer Schönheit und Intelligenz.
Aber was sie am meisten verwunderte, war, dass sie plötzlich den Drang verspürte, die Hand auszustrecken und seine Wange zu berühren, die Bartstoppeln, die sie dort sah. Sie wusste nicht, warum sie das wollte, doch der Drang wurde so übermächtig, dass sie selbst kaum wusste, wie es ihr gelang, sich zurückzuhalten.
Lochlan schaute auf sie herab, erstarrte, als er den Ausdruck in Catarinas Augen sah. Er war daran gewöhnt, dass Frauen ihn lustvoll betrachteten, aber nicht von ihr. Es war sowohl beunruhigend als auch erregend. Bedachte man die weniger als freundliche Art ihres Umgangs, konnte er nicht glauben, dass ihm davon tatsächlich heiß wurde. Ein selbstzerstörerischer Teil von ihm wollte sie sogar küssen.
Mann, reiß dich zusammen! Du willst doch nicht allen Ernstes wirklich die Lippen einer Viper kosten. Sie ist ein Wildfang, und das Letzte, was du gebrauchen kannst, ist, dich mit einer Frau einzulassen, die dein ohnehin schon kompliziertes Leben noch komplizierter macht.
Das stimmte. Er wollte vor allem eines: Frieden. Es gab genug Aufruhr in seinem Leben, allein schon mit seinen eigenen Leuten, seinen Brüdern und seiner Mutter. Auf keinen Fall wollte er sich noch mehr Streit und Elend ins Haus holen. Er wollte ein ruhiges Mädchen mit ausgeglichenem Wesen. Jemanden, der besänftigend wirkte, anstatt ihn zu reizen.
Er
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