MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, alles bestens.«
»Hm ... Meine Mutter hat immer gesagt, Männer sagen nur dann, alles sei bestens, wenn sie etwas verbergen wollen. Willst du etwas verbergen, Lochlan?«
Er stieß die Luft in einem langen, müden Atemzug aus. »Du bist gnadenlos mit deinen Fragen.«
»Und du bist fast so wie dein Bruder Ewan. Das soll bitte keine Beleidigung sein. Ich mag Ewan zufälligerweise sehr gerne ... wenn er nicht gerade sturköpfig ist. Aber redselig war er nie. Er sagt, das liegt daran, dass er nie zu Wort gekommen ist unter all seinen Brüdern. Damit kann er wohl nur Braden und Sin gemeint haben, da weder du noch Ewan viel sprechen.«
Lochlan verstummte, als er merkte, dass sie mit ihm flirtete und ihn damit behexte. Wenn er Braden wäre, hätte er sie in der nächsten Viertelstunde schon nackt unter sich liegen. Aber solche Tändeleien hatten ihn nie sonderlich gereizt ... Nun, so stimmte das nicht ganz. Der Gedanke an sie reizte ihn sogar sehr. Nichts täte er lieber, als ihr die Lippen mit einem Kuss zu verschließen und sie für eine Weile in das Wäldchen da vorne zu tragen.
Doch die Folgen davon, das, was sich aus dem Liebesakt ergab, hielten ihn davon ab, seine Phantasie auszuleben. Da war die Angst vor einem Kind, und vermutlich würde sie mehr von ihm erwarten als ein kurzes Abenteuer. Er hatte so viel Zeit damit verbracht, die Tränen der Frauen zu trocknen, die wegen seiner Brüder todunglücklich waren, dass er keine Lust hatte, selbst für solchen Schmerz verantwortlich zu sein. Von den tränenreichen Jahren seiner Mutter wegen der Untreue seines herzlosen Vaters ganz zu schweigen. Er zog es vor zu denken, dass er mehr Mann war, als sich von seinen animalischen Instinkten leiten zu lassen.
Lochlan hielt inne, als er etwas aus dem Augenwinkel entdeckte. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass sie verfolgt wurden.
Aber das war ausgeschlossen. Die Wachen waren beide nicht mehr am Leben, und sonst wusste niemand, wo er war.
Catarina betrachtete ihn argwöhnisch. »Wenn du so weitermachst, werde ich nervös.«
»Entschuldige.«
Cat wusste nicht, was sie von ihrem Begleiter halten sollte. Er war so anständig und steif, dass es sie zu ärgern begann. Er erinnerte sie zu sehr an ihren eigenen Vater. Immer nur auf den äu-ßeren Schein bedacht, hatte der sich sogar geweigert, ihre Hand zu halten, als sie noch ein Kind war. Von Mitgliedern des Königshauses erwartete man, dass sie alles verbargen. Sie waren immer beherrscht, und das passte nicht zu ihr. Dazu hatte sie zu viel von ihrer Mutter in sich.
Das war auch der Grund, weshalb sie vor ihrem Vater davonlief und dem Leben, das er für sie plante. Es lag nicht in ihrem Wesen, vor Unannehmlichkeiten davonzulaufen. Sie war immer schon jemand gewesen, der sich behauptete, einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg ging. Aber hier blieb ihr keine andere Wahl. Ihr Vater würde ihr Vorträge über Pflicht und Schuldigkeit halten. Er würde in ihr Schuldgefühle wecken, bis sie nachgab und sich in einer Verbindung wiederfand, die nichts als Unglück bedeutete. Das Leben war zu kurz, um es in Elend zu verbringen, gefesselt an einen Mann, der erwartete, dass sie nie lachte. Einen Mann, der bestimmen wollte, was sie trug, wie sie sich benahm und ob sie sich überhaupt in der Öffentlichkeit zeigen durfte.
Cat sehnte sich nach Lachen und Tanz. Fröhlichkeit. Am meisten aber wünschte sie sich Liebe. Sie wollte nie wieder die Hand nach einem Mann ausstrecken, der zurückscheute oder sich abwandte. Sie wünschte sich jemanden, der sie berührte, ohne lange darüber nachzudenken, was andere davon halten mochten.
Sie würde nie den Tag vergessen, an dem sie als junges Mädchen mit ihrem Onkel Bavel in einem Dorf gewesen war. Sie wollten Vorräte kaufen, und während sie im Ort waren, hatte sie einen Soldaten gesehen, der von einem Kampf heimkehrte. Er kam zu Fuß, ungekämmt und zerlumpt.
Dennoch war ein schriller Freudenschrei zu hören; bei seinem Anblick hatte eine junge Frau, nicht viel älter als sie selbst, ihren Korb fallen lassen und war zu ihm gerannt. Er hatte seine Arme um sie geschlossen und sie herumgewirbelt, hatte gelacht und sie geküsst.
Das war es, was Cat wollte. Schrankenlose Liebe. Leidenschaft. Das Wissen, dass ihrem Liebhaber niemand außer ihr wichtig war. Das war natürlich so unwahrscheinlich, wie dass Schweine fliegen, aber sie hatte es einmal gesehen, und der Augenblick hatte in ihr Hoffnungen geweckt.
Weitere Kostenlose Bücher