MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
sind es?«
»Vielleicht knapp zwanzig.«
»Wie nett. Gar nicht einmal so wenig.«
Lochlan erwiderte auf diese sarkastische Bemerkung nichts.
Julia trieb ihre Stute an, bis sie neben Bracken war, hielt ihm nochmals ein Stück Fleisch hin. »Bitte, iss etwas. Du wirst noch krank, wenn du nichts isst.«
»Sie hat recht«, pflichtete ihr Lochlan bei. »Wir kehren gegen Morgen ein und füllen unsere Vorräte auf.«
Er konnte das Widerstreben in Brackens Augen sehen und bewunderte den Mann beinahe für seine Aufopferungsbereitschaft seinen Geschwistern gegenüber.
»Bitte, Bracken. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren.«
Die Bitte musste seinen Entschluss ins Wanken gebracht haben. Bracken nahm ein Stück. »Jetzt iss du den Rest, und hör auf, mich zu plagen.«
Sie schenkte ihrem älteren Bruder ein strahlendes Lächeln. »Wie du willst, Lord Missmutig.« Damit ließ sie sich wieder zu Bryce zurückfallen.
Bracken kaute das Fleisch, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Lochlan zu. »Ich weiß immer noch nicht, wer Ihr seid.«
»Lochlan MacAllister.«
»Er ist der Laird«, fügte Catarina hinzu.
Bracken blickte weg. »Verstehe.« Sein Ton war ausdruckslos, aber gleichzeitig fast verächtlich.
Catarina sah mit gerunzelter Stirn zu Lochlan, ehe sie wieder Bracken anschaute. »Was möchtest du damit andeuten?«
»Nichts.«
»Lochlan, was meint er damit?«
Als ob er eine Ahnung hätte! Aber er war selbst neugierig genug, die Sache weiterzuverfolgen. »Aus Eurem Ton schließe ich, dass sich mehr dahinter verbirgt. Habt keine Sorge, mich zu beleidigen. Ich besitze vier Brüder, die mich Geduld und Nachsicht gelehrt haben.«
Bracken blickte zu Bryce, als verstünde er vollkommen, was Lochlan damit sagen wollte. »Ich habe Euren Vater ein paarmal getroffen, als ich noch ein junger Knappe am Hof König Heinrichs war.«
Mit diesen Worten wurde Lochlan alles klar. »Ah ja.«
Bracken nickte. »Genau.«
Catarina starrte erst den einen, dann den anderen an, als sprächen die beiden in einem Geheimcode miteinander, den sie entziffern wollte. »Was heißt das jetzt?«
»Nichts«, antworteten sie wie aus einem Munde.
Cat verdrehte die Augen. »Männer«, sagte sie zu Julia. »Sie sind eine echte Last für uns.«
Julia kicherte, während sie sich noch die Finger leckte.
Mit einem frustrierten Seufzer richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Männer. »Warum sollte die Erwähnung, dass er deinen Vater getroffen hat, seine Reaktion befriedigend erklären?«
Lochlan sandte ihr einen grimmigen Blick. »Kannst du nicht einmal etwas einfach auf sich beruhen lassen?«
»Nein.«
»Gut. Mein Vater hatte einen gewissen Ruf am englischen Königshof.«
»Einen Ruf wofür?«
»Grausamkeit.«
»Oh«, hauchte sie, spürte Schuldgefühle in sich aufwallen, dass sie die Sache nicht einfach hatte auf sich beruhen lassen. »Das tut mir leid, Lochlan. Ich hätte nicht nachbohren sollen.«
»Es ist in Ordnung, Kleines. Schließlich ist es ja kein Geheimnis.« Er nickte Bracken zu. »Viele Menschen wussten, wie mein Vater war.«
Dennoch hätte sie nicht nachfragen sollen. So etwas war schmerzlich, und er trug gewiss noch Narben davon. Wenn sein Vater grausam zu Fremden gewesen war, dann war er es vermutlich auch zu seinen Söhnen gewesen. Das tat ihr unendlich leid. Gleichzeitig fragte sie sich, welche anderen Geheimnisse Lochlan noch mit sich herumtrug.
Schweigend setzten sie die Reise durch die Dunkelheit fort. Cat lauschte auf das Rascheln der Blätter im Wind. Die leichte Brise war frisch, aber Lochlans Körperwärme verhinderte, dass sie fror. Sein Geruch und sein muskulöser Körper sorgten dafür, dass ihr warm war.
Lochlan versteifte sich nicht nur an einer Stelle, als Cat ihm plötzlich eine Hand auf den Arm legte, den Kopf an seine Brust schmiegte und sich an ihm entspannte. Obwohl es eine rein platonische Geste war, hatte sie doch etwas sehr Vertrauliches, das sein Blut erhitzte.
Aber am schlimmsten war eigentlich, dass es ein Sehnen in ihm weckte, das er nie zuvor verspürt hatte. In der Nähe von Frauen hatte er sich nie wirklich wohl gefühlt. Sie waren für seinen Geschmack zu zerbrechlich und dazu berechnend. Er mochte weder Melodramen noch Tränen, und sie schienen das im Überfluss mitzubringen. Genau betrachtet war seine Suche nach Erkenntnissen über das Schicksal seines Bruders äußert friedvoll verlaufen - bis zu dem Moment, als Catarina seinen Weg gekreuzt hatte. Auf
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