MacAllister 6 Die schottische Wildkatze
Beachtung. Er ist beim Aufwachen immer so misslaunig.«
»Das stimmt«, pflichtete ihr Bryce bei, dann musste er gähnen. »Vater hat immer behauptet, wenn unsere Burg je im Sturmangriff genommen würde, dann wünschte er sich, dass die feindlichen Soldaten zuerst in Brackens Zimmer eindrängen, während er dort schlief. Dann würde er wie ein Berserker wüten und sie alle erschlagen, um noch ein paar Augenblicke länger schlafen zu können.«
Cat lächelte, obwohl sie die Geschichte schmerzte. Sie erinnerte sich noch gut an den Vater der drei - groß gewachsen und kräftig wie Bracken, aber ein freundlicher, sanftmütiger Mann. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er je zum Verräter geworden sein sollte. Sein Tod musste schwer auf all seinen Kindern lasten. Ihr wurde das Herz schwer.
Nach Brackens Rückkehr in die Scheune gingen sie und Julia, um sich um ihre persönlichen Bedürfnisse zu kümmern; unterdessen machten die Männer die Pferde für den Weiterritt bereit. Von dem Stand der Sonne her zu schließen war es kurz vor Mittag. Alles in allem fühlte sie sich ausgeruht. Lochlan gab ein ausgezeichnetes Kissen ab. Aber es war schon recht spät am Tag, um aufzubrechen. Sie hoffte nur, die anderen waren nicht zu erschöpft.
Sie und Julia knieten sich ans Ufer des Baches, um sich die Gesichter zu waschen. Cat schüttelte den Kopf, da fiel ihr wieder ein, was sie geweckt hatte. »Julia? Hast du jemals von einem Räuber namens Faucon gehört?«
Das Mädchen wurde ganz blass. »Warum fragst du?«
»Vorhin bin ich davon aufgewacht, dass ein Trupp Reiter kam und den Bauern nach ihm gefragt hat. Ich frage mich bloß, ob du vielleicht von ihm gehört hast.«
Julia wurde noch blasser. Sie sprang auf und lief zur Scheune zurück.
Verwundert beeilte sich Catarina, ihr zu folgen, und fragte sich dabei, was das zu bedeuten hatte. Als sie in die Scheune kam, hielt Julia ihren ältesten Bruder am Arm.
»Bracken, schnell, wir müssen uns sputen.«
Er betrachtete Julia unter zusammengezogenen Brauen, ehe er sich aus ihrem Griff befreite. »Warum?«
»Cat hat gesagt, dass Männer da waren, die dich gesucht haben.«
Er fluchte.
Cat runzelte die Stirn, als sie schließlich begriff, was vor sich ging. »Du bist Faucon?«
Seine Miene spiegelte keinen Stolz wider, zeigte nur tiefe Müdigkeit und Resignation. »Ja, allerdings. Schau mich nicht so an, Cat. Man hat sich dein Leben lang um dich gekümmert. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, die Verantwortung dafür zu tragen, dass deine Lieben wohlgenährt und gesund sind. Glaub mir, das bringt dich dazu, Sachen zu tun, derer du dich nie für fähig gehalten hättest.«
»Hunger kennt keine Moral«, bemerkte Lochlan ruhig.
Sie sah die Erleichterung in Brackens Augen, als er begriff, dass da jemand war, der ihn nicht für das verurteilte, was er getan hatte, um seine Geschwister zu schützen. Cat bemühte sich, nicht schlecht von ihm zu denken. Aber man hatte ihr von der Wiege an beigebracht, dass es besser war, zu verhungern, als einen Bissen für sich einem anderen wegzunehmen.
Doch ihre Moral war nie auf die Probe gestellt worden, und sie kannte Bracken als gerechten, anständigen Mann. Wenn er gestohlen hatte, dann war ihm schlicht nichts anderes übrig geblieben.
Cat lächelte verständnisvoll. »Ich verdamme dich nicht, Bracken. Es schmerzt nur zu erfahren, wozu du gezwungen warst.«
Sein Blick bohrte sich in ihren. »Glaub mir, niemand bedauert das mehr als ich.«
Cat ging zu ihm und umarmte ihn. »Du bist ein guter Mann, Bracken, ich weiß das sehr wohl. Hab keine Angst, dass ich nun schlecht von dir denke.«
»Danke«, flüsterte er, ehe er einen Schritt zurück machte, als sei er verlegen von ihrem Tun.
»Wir müssen sicherstellen, dass niemand ihn wiedererkennt.« Lochlan öffnete seine Satteltaschen und holte zwei von seinen Waffenröcken heraus. »Bryce wird der Rock noch etwas groß sein, aber Euch müsste er recht gut passen.«
Cat bemerkte, wie Bracken mit den Händen über den feinen Stoff strich. Es war leicht zu erkennen, dass er nicht damit gerechnet hatte, so etwas jemals wieder zu berühren. Niemand würde die Geschwister in solchen Kleidern für Bauern oder Strauchdiebe halten.
Lochlans Idee aufgreifend fischte sie eines ihrer neuen Kleider heraus und reichte es Julia, die wie ein Kind am Weihnachtstag vor Freude strahlte.
»Wie wunderschön! Danke, Catarina. Vielen, vielen Dank.«
Sie nickte, und Julia lief rasch in eine Ecke der
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