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MacBest

Titel: MacBest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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spitzen Hut aufgesetzt und den langen schwarzen Mantel übergestreift, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß sie eine Hexe war.
    Ein älterer Küchenstuhl lag halb im kalten Weiß begraben. Im Sommer verwendete ihn Oma als geeignete Sitzgelegenheit, um zu nähen oder andere Handarbeiten zu erledigen und dabei gleichzeitig den Pfad im Auge zu behalten. Jetzt griff sie danach, klopfte Schnee ab, stellte ihn gerade und setzte sich: die Knie auseinander, die Arme entschlossen verschränkt. Sie schob das Kinn vor.
    Die Sonne des Neujahrstags stand bereits hoch am Himmel, aber das Licht blieb trüb und fiel schräg vom grauen Firmament. Es glühte auf der Dampfwolke über den versammelten Tieren. Sie rührten sich nicht. Nur dann und wann scharrte ein Geschöpf mit den Hufen oder kratzte sich.
    Oma Wetterwachs drehte den Kopf, als ihr eine Bewegung auffiel. Erstjetzt bemerkte sie die vielen Vögel auf den Ästen und Zweigen aller Bäume im Garten. Dadurch hatte es den Anschein, als habe ein sonderbar brauner und schwarzer Frühling begonnen.
    An jener Stelle, wo im Sommer Kräuter wuchsen, standen oder lagen Wölfe mit heraushängenden Zungen. Hinter ihnen hockten mehrere Bären, und daneben sah Oma eine Gruppe aus Rehen und Hirschen. Die Plätze im mettafforischen Parkett belegten Hasen, Wiesel, Geziefer, Dachse, Füchse und verschiedene andere Tiere, die man gemeinhin als Waldvolk bezeichnet – obwohl sie ihr ganzes Leben in einer recht blutigen Atmosphäre aus Jäger und Beute verbringen, aus Töten oder Getötetwerden, meistens mit Hilfe von Klauen, Krallen und unangenehm spitzen Zähnen.
    Sie hockten zusammen im Schnee, vergaßen ihre normalen kulinarischen Beziehungen und versuchten, Oma Wetterwachs mit Blicken zu durchspießen.
    Zwei Dinge wurden der Hexe sofort klar. Erstens: Die anwesenden Tiere stellten einen guten Querschnitt des Waldlebens dar.
    Und zweitens … Sie mußte es laut aussprechen.
    »Ich weiß nicht, welcher Zauber euch hierhergeführt hat«, sagte Oma. »Aber eins steht fest: Wenn der Bann nachläßt, sollten sich einige von euch beeilen, von hier zu verschwinden.«
    Die Tiere verharrten reglos. Es herrschte völlige Stille, sah man von einem älteren Dachs ab, der sich verlegen erleichterte.
    »Hört mal«, brummte Oma. »Was erwartet ihr von mir? Es hat überhaupt keinen Sinn, daß ihr gekommen seid. Er herrscht nun. Dies ist sein Königreich. Ich kann mich nicht einmischen. Einmischungen sind in jedem Fall falsch. Es muß sich alles von selbst regeln, zum Guten oder zum Schlechten. So lautet ein fundamentaler Grundsatz der Magie, jawohl. Man kann nicht herumlaufen und die Leute mit Zaubersprüchen regieren; in einem solchen Fall müßte man immer mächtigere Thaumaturgie einsetzen.« Oma Wetterwachs lehnte sich zurück, dankbar für eine lange Tradition, die den Klugen, Weisen und Fähigen eine aktive oder gar dominierende Beteiligung an den Regierungsgeschäften verbot. Sie dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, die Krone auch nur einige Sekunden lang zu tragen.
    Nein, Kronen entfalteten eine sehr unangenehme Wirkung auf die Klugen. Es war besser, das Regieren Leuten zu überlassen, deren Brauen sich in der Mitte trafen, wenn sie nachzudenken versuchten. Auf eine komische Art und Weise kamen sie wesentlich besser damit zurecht.
    »Die Menschen müssen allein damit fertig werden«, fügte Oma hinzu. »Das ist eine allgemein bekannte Tatsache.«
    Einer der größeren Hirsche bedachte sie mit einem besonders skeptischen Blick.
    »Ja, na schön, er hat den alten König umgebracht«, gestand Oma Wetterwachs ein. »So will es eben die Natur. Darüber wißt gerade ihr gut Bescheid. Das Überleben des Dingsbums. Ihr habt überhaupt keine Ahnung, was ein Erbe ist. Vielleicht haltet ihr so etwas für eine Art Kaninchen.«
    Sie trommelte mit den Fingern aufs Knie.
    »Wie dem auch sei: Der alte König war nicht gerade ein guter Freund von euch, oder? Ging dauernd auf die Jagd und so.«
    Dreihundert dunkle Augenpaare starrten sie an.
    »Was wollt ihr eigentlich von mir?« fragte Oma Wetterwachs. »Soll ich etwa mit Königen herumpfuschen, nur weil sie euch nicht gefallen? Wo würde das alles enden? Darüber hinaus: Ich habe keinen Grund, mich über den neuen König zu beklagen.«
    Sie versuchte, den Blick eines extrem schielenden Wiesels zu meiden.
    »Na schön, es ist egoistisch und selbstsüchtig«, fuhr sie fort. »Das gehört eben dazu, eine Hexe zu sein. Ich wünsche euch allen einen guten

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