Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MacBest

Titel: MacBest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
leise.
    Oma kochte Tee und merkte, daß jedes Geräusch lauter klang, als es eigentlich der Fall sein sollte. Sie ließ den Löffel in die Spüle fallen, und es hörte sich an, als werde eine Glocke vom Klöppel getroffen.
    Sie fühlte sich immer beunruhigt, nachdem sie sich mit organisierter Magie beschäftigt hatte. So etwas schlug ihr aufs Gemüt. Nervös schritt sie durchs Haus und suchte nach Dingen, die es zu erledigen galt, brachte jedoch keine der angefangenen Arbeiten zu Ende. Immer wieder wanderte sie ziellos über die kalten Fliesen.
    Unter solchen Umständen nutzt der Verstand jede Gelegenheit, um sich von seiner eigentlichen Aufgabe abzulenken: über verschiedene Dinge nachzudenken. Ein Beobachter wäre sicher erstaunt gewesen, mit welcher Hingabe Oma Wetterwachs den Teekannenständer reinigte, uralte Nüsse aus der Obstschale auf der Anrichte grub und einen Löffel benutzte, um versteinerte Brotkrusten aus Fugen zwischen den Fliesen zu kratzen.
    Tiere hatten Gedanken. Menschen ebenfalls, wenn auch verworrene. Selbst Insekten waren damit ausgestattet: Bei ihnen sah Oma Wetterwachs kleine Lichter in der Finsternis der Gedankenlosigkeit.
    Die alte Hexe hielt sich für eine Expertin, was solche Dinge betraf, doch ein denkendes Land war neu für sie.
    Bei den Göttern, Länder lebten nicht einmal. Ein Land bestand doch nur aus …
    He, einen Augenblick! Eine bestimmte Idee kroch in Oma Wetterwachs’ Bewußtsein und versuchte dort schüchtern, ihre Aufmerksamkeit zu erringen.
    Vielleicht war es doch gar nicht so absurd, sich vorzustellen, daß der düstere Wald auch mit geistigem Leben ausgestattet war. Oma setzte sich mit einem antiken Brotstück in der Hand auf und blickte zum Kamin. Ihr mentales Auge blickte durch die Wand und beobachtete die langen schneeumhüllten Reihen von Bäumen. Ja. Auf diese Weise hatte sie es noch nie zuvor betrachtet. Nun, das Ich des Waldes setzte sich aus vielen kleinen Selbstsphären darin zusammen: die Gedanken von Vögeln undBären, auch die langsamen und trägen Überlegungen der Bäume selbst …
    Oma Wetterwachs nahm im Schaukelstuhl Platz, der von ganz allein zu schaukeln begann.
    Wenn sie den Wald beobachtete, dachte sie manchmal an ein ausgestreckt liegendes großes Geschöpf – eine Mettaffer, wie sich Zauberer ausgedrückt hätten. Im Sommer war es schläfrig und summte mit Hummeln und Bienen; während der Herbststürme heulte und fauchte es wütend; im Winter schlüpfte es unter eine Decke aus Schnee und schlief. Oma Wetterwachs stellte sich nun der Erkenntnis, daß der Wald nicht nur aus anderen Dingen bestand, sondern auch ein eigenes, klar bestimmtes Ich besaß. Er lebte, wenn auch nicht auf die Art und Weise wie zum Beispiel eine Spitzmaus.
    Er lebte langsamer.
    Ein wichtiger Punkt. Wie schnell schlug das Herz eines Waldes? Vielleicht einmal im Jahr. Ja, das klang richtig. Er lag dort draußen, wartete auf helleren Sonnenschein und längere Tage, die mehrere Millionen Liter Saft Dutzende von Metern gen Himmel pumpten, mit einem systolischen Pochen, das zu lang und zu laut war, um von menschlichen Ohren gehört zu werden.
    Plötzlich biß sich Oma Wetterwachs auf die Lippe.
    Sie hatte gerade das Wort ›systolisch‹ verwendet, und es gehörte gewiß nicht zu ihrem Vokabular.
    Jemand befand sich in ihrem Kopf.
    Etwas.
    Hatte sie gerade eigene Gedanken gedacht? Oder stammten sie von jemand anders?
    Oma sah zu Boden und versuchte, ihre Ideen für sich zu behalten. Aber etwas beobachtete ihr Bewußtsein so mühelos, als verwandle sich ihr Kopf in durchsichtiges Glas.
    Die Hexe stand auf und zog die Vorhänge beiseite.
    Sie warteten draußen, dort, wo sich während der wärmeren Monate ein Rasen befand, und jedes einzelne starrte sie an.
    Nach einigen Minuten öffnete Oma Wetterwachs die vordere Eingangstür. Ein wahres Ereignis: Wie die meisten Bewohner der Spitzhornberge betrat und verließ Oma ihr Haus nur durch die Hintertür. In einem gewöhnlichen Leben gab es nur drei Anlässe, die es angemessen erscheinen ließen, die Vordertür zu benutzen, und dabei wurde man jedesmal getragen.
    Sie stemmte Omas Bemühungen erheblichen Widerstand entgegen, ließ sich nur ruckweise bewegen. Einige Lackfladen fielen auf eine Schneewehe davor, die nach innen rutschte. Als sie etwa halb offenstand, schaltete die Tür endgültig auf stur und klemmte energisch.
    Oma Wetterwachs schob sich ungelenk durch die Lücke und stapfte durch unberührten Schnee.
    Sie hatte bereits den

Weitere Kostenlose Bücher