MacBest
sich lautlos. Dämonen waren wie Flaschengeister oder Philosophieprofessoren: Wenn man nicht genau die richtige Frage stellte, fanden sie großen Gefallen daran, absolut wahrheitsgemäße, aber vollkommen irreführende Antworten zu geben.
»Existiert etwas im Königreich, das vorher fehlte?« fragte sie.
»Nein.«
Die Tradition ließ nur drei Fragen zu. Oma Wetterwachs trachtete danach, die dritte so zu formulieren, daß man sie nicht absichtlich mißverstehen konnte. Dann beschloß sie, die Spielregeln zu verändern.
»Was ist eigentlich los, zum Teufel?« entfuhr es ihr. »Und wenn du jetzt versuchst, dich irgendwie herauszuwinden, wirst du gekocht.«
Der Dämon zögerte. Omas Taktik war offenbar neu für ihn.
»Bitte hol einige Holzscheite, Magrat!« verlangte die alte Hexe.
»Ich protestiere gegen diese Behandlung!« Ungewißheit prickelte in der Stimme des Dämons.
»Nun, wir können nicht die ganze Nacht mit dir verplempern«, erwiderte Oma Wetterwachs fest. »Für Zauberer sind solche Wortspiele vielleicht interessant, aber wir haben Wichtigeres zu tun.«
»Soll ich die Scheite entzünden?« fragte Nanny unschuldig.
»Hört mal …« Keimendes Entsetzen kroch nun in den Tonfall des Dämons. »Wir dürfen nicht einfach so Informationen preisgeben. Wißt ihr, es gibt Regeln und Vorschriften.«
»Die Büchse auf dem Regal dort drüben enthält altes Öl, Magrat«, sagte Nanny.
»Wenn ich euch etwas verrate …«, begann der Dämon.
»Ja?« murmelte Oma Wetterwachs ermutigend.
»Ihr erzählt es doch nicht weiter, oder?«
»Kein einziges Wort«, versprach Oma.
»Meine Lippen sind versiegelt«, fügte Magrat hinzu.
» Es gibt nichts Neues im Königreich«, sagte der Dämon. »Aber das Land ist erwacht.«
Oma Wetterwachs blinzelte verwirrt. »Was soll das?«
» Es ist unglücklich. Es möchte einen fürsorglichen König.«
»Wie …« Magrat unterbrach sich, als Oma winkte.
»Du meinst nicht das Volk, oder?« Und als der Dämon den schwarzen Kopf schüttelte: »Das dachte ich mir.«
»Was …« Nanny sprach nicht weiter, als Oma Wetterwachs den Zeigefinger zum Mund hob.
Sie drehte sich um und trat ans Fenster der Waschküche heran, einen Spinnenweb-Friedhof aus verblaßten Schmetterlingsflügeln und den Schmeißfliegen des letzten Sommers. Ein blasses Glühen hinter der rauhreifbesetzten Scheibe wies darauf hin, daß erstaunlicherweise bald ein neuer Tag begann.
»Kannst du uns den Grund dafür nennen?« fragte Oma und blickte weiterhin nach draußen. Sie fühlte die Seele eines ganzes Landes …
Und sie war ziemlich beeindruckt.
»Ich bin nur ein Dämon. Was weiß ich schon? Ich kenne einzig und allein das Geschehen an sich, nicht seine Ursachen.«
»Ich verstehe.«
»Darf ich jetzt gehen?«
»Bitte?«
Oma Wetterwachs nickte wie in Trance.
»O ja, lauf nur!« sagte sie geistesabwesend. »Danke.«
Der Kopf rührte sich nicht von der Stelle. Er blieb da, wie ein Hotelportier, der gerade fünfzehn Koffer in den zehnten Stock getragen, dem Gast das Bad gezeigt sowie die Kissen aufgeschüttelt hat und sich nun anschickt, die bereits aufgezogenen Vorhänge noch einmal aufzuziehen.
»Wärt ihr vielleicht so nett, mich zu verbannen?« meinte der Dämon, als ihm niemand Beachtung schenkte.
»Wie?« erwiderte Oma Wetterwachs, die erneut nachdachte.
»Nun, äh, nach einer richtigen Verbannung würde ich mich besser fühlen«, sagte der Kopf. »Den Worten ›Lauf nur‹ fehlt es am gewissen Etwas.«
»Oh. Na schön, wenn du solchen Wert darauf legst … Magrat!«
Die junge Hexe zuckte zusammen. »Ja?«
Oma Wetterwachs warf ihr den Holzstab zu.
»Erweise ihm die Ehre, ja?«
Magrat fing den Stab an der Stelle auf, die Oma hoffentlich für den Griff hielt. Sie lächelte.
»Natürlich. Na schön. Nun gut. Ähem. Hebe dich hinfort, Brut der Finsternis! Kehre zurück in die stinkende Tiefe …«
Der Kopf grinste zufrieden, als er diese Bemerkungen vernahm. Sie hatten den richtigen Klang.
Der Schädel sank ins schwarze Wasser des Trogs zurück, schien einfach zu schmelzen, wie Kerzenwachs unter der Ramme. Kurz bevor er verschwand, grollte er noch voller Verachtung: »Lauf nuuuuuuuuur …«
Oma Wetterwachs kehrte allein nach Hause zurück, als das rosarote kalte Licht der Morgendämmerung über den Schnee glitt. Es war nicht still im Haus.
Deutlich spürte sie die Unruhe der Ziegen im Stall. Unter dem Dach flüsterten und raunten greise Stare. Die Mäuse hinterm Küchenschrank fiepten
Weitere Kostenlose Bücher