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MacBest

Titel: MacBest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erinnern, und Erinnerungen sind Worte. Wer weiß, wie sich ein König vor tausend Jahren verhielt? Nur Geschichten berichten darüber. Und natürlich Theaterstücke.«
    »O ja«, warf Felmet ein, »ich habe einmal eine Vorführung gesehen. Komische Burschen in Strumpfhosen. Viel Geschrei. Den Leuten hat’s gefallen.«
    »Soll das heißen, Geschichte ist nur das, was man den Menschen erzählt?« fragte die Herzogin.
    Der Narr sah sich im Thronsaal um und deutete auf ein Porträt, das König Grünbeer den Guten (906-967) zeigte.
    »Stimmt der Beiname? Wer weiß das heute noch? War er wirklich gut? Es spielt keine Rolle mehr. Bis zum Ende der Welt bleibt er Grünbeer der Gute.«
    Der Herzog beugte sich vor, und in seinen Augen glühte es.
    »Ich möchte ein guter Herrscher sein«, sagte er. »Ich möchte, daß mich die Leute mögen. Ich möchte, daß man sich liebevoll an mich erinnert.«
    »Nehmen wir an, es gibt andere Dinge, die Anlaß für Kontroversen geben«, dachte die Herzogin laut. »Historische Ereignisse, die – falsch dargestellt werden.«
    »Mich trifft überhaupt keine Schuld!« stieß der Herzog hastig hervor. »Er rutschte aus und fiel. Ja. Er rutschte aus und fiel. Ich war nicht einmal dabei. Er griff mich an. Reine Notwehr, jawohl. Er rutschte aus und fiel in Notwehr auf seinen Dolch.« Er nuschelte nur noch. »Ich entsinne mich gar nicht mehr daran.« Lord Felmet rieb sich die Dolchhand, obwohl diese Bezeichnung nicht mehr ganz zutraf.
    »Schweig endlich, Gemahl!« sagte die Herzogin scharf. »Ich weiß, daß du völlig schuldlos bist. Ich habe dir keine Gesellschaft geleistet, wie du dich bestimmt erinnerst. Ich war es, die dir nicht den Dolch gab.« Lord Felmet schauderte erneut.
    »Und jetzt, Narr …« Lady Felmet holte tief Luft. »Ich wollte auf folgendes hinaus: Es gibt einige Dinge, an die man sich richtig erinnern sollte.«
    »Meinst du, daß du zu jenem Zeitpunkt nicht dort warst?« erwiderte der Hofnarr.
    Es stimmt schon: Worte haben Macht. Aber manchmal entwickeln sie auch ein seltsames Eigenleben und verlassen den Mund des Sprechers, bevor er Gelegenheit hat, sie zurückzuhalten. Wenn man Worte mit unschuldigen kleinen Lämmern vergleichen kann, so beobachtete der Narr nun, wie sie fröhlich davonliefen, direkt in den Flammenwerfer von Lady Felmets Blick.
    »Nicht wo?«
    »Äh, nirgends«, sagte der Narr eilig.
    »Dummer Kerl! Jeder hält sich irgendwo auf.«
    »Ich meine, du warst irgendwo, aber gewiß nicht am oberen Ende der Treppe«, versicherte der Narr.
    »Am Ende welcher Treppe?«
    »Irgendeiner.« Der Narr begann zu schwitzen. »Ich erinnere mich ganz
    deutlich daran, dich nicht gesehen zu haben.«
    Die Herzogin starrte ihn eine Zeitlang an.
    »Vergiß es nur nicht!« grollte sie und rieb sich das Kinn. Ein leises Kratzen erklang dabei.
    »Die Realität besteht also nur aus schwachen Worten. Woraus folgt: Worte sind Realität. Wie kann man daraus Geschichte formen?«
    »Die Vorführung, die ich gesehen habe, wurde wirklich gut vorgeführt«, sagte Lord Felmet verträumt. »Auf der Bühne kam es zu Kämpfen, aber niemand erlitt wirkliche Verletzungen. Und dann die Reden. Hörten sich gut an, die Reden.«
    Von der Herzogin kam ein weiteres schmirgelpapierartiges Geräusch.
    »Narr?« fragte sie.
    »Lady?«
    »Kannst du ein Theaterstück schreiben? Ein Stück, das über die ganze Welt zieht? Das alle böswilligen Gerüchte besiegt?«
    »Nein, Lady. Dazu ist besonderes Talent notwendig.«
    »Kennst du Personen, die dazu fähig sind?«
    »Oh, es gibt solche Leute, Lady.«
    »Finde jemanden!« murmelte der Herzog. »Finde den Besten. Finde den Besten. Damit die Wahrheit bekannt wird. Finde jemanden …«
     
    Der Sturm ruhte sich aus. Er wollte es nicht, aber ihm blieb keine Wahl. Zwei Wochen hatte er damit verbracht, ein berühmtes Hochdruckgebiet über dem Runden Meer zu vertreten. Jeden Tag spannte er die böigen Muskeln und wartete in der Kaltluftfront, dankbar für die Chance, ab und zu einen Baum zu entwurzeln beziehungsweise das eine oder andere Bauernhaus zu zertrümmern. Aber der erhoffte grundlegende Wetterwechsel stellte sich nicht ein.
    Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß auch die großen Stürme der Vergangenheit – zum Beispiel das Gewaltige Tosen von 1789, oder Orkan Zelda und Ihre Erstaunlichen Regnenden Frösche – irgendwann während ihrer Karriere eine solche Phase erlebt hatten. So etwas gehörte eben zur Tradition des Wetters.
    Außerdem hatte er sich in

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