Mach doch - Roman
Zufällen sein. Im Zweifel für den Angeklagten, wie es so schön heißt.«
»Obwohl du dir sicher bist, dass sie hinter den Löchern in den Wänden, dem defekten Boiler und dem Brand steckt?«
Er nickte, widersprach ihr nicht. »Ja. Sie ist aus dem Gefängnis abgehauen, aber irgendwann wird man sie schnappen, und dann wird die Wahrheit ans Licht kommen.« In seiner Miene spiegelte sich nicht nur Mitleid wider, sondern noch ein anders Gefühl, das verdächtig nach Liebe aussah. Und das trotz der emotionalen
Distanz, die zurzeit zwischen ihnen herrschte.
Laurens Puls beschleunigte sich, ihre Gefühle waren ein einziges Durcheinander, mit dem sie völlig überfordert war. Doch solange er seine Gefühle für sie geheim hielt, solange er unterschiedliche Signale aussendete, statt Klartext zu reden, musste sie sich nicht damit auseinandersetzen.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, die plötzlich ganz ausgetrocknet waren. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer: danke.«
Lauren hatte nicht bemerkt, dass ihre Schwester ihr ein Jahr lang etwas vorgespielt hatte, und sie hatte keine Ahnung, weshalb. Sie wusste nur eines: Sie hoffte, dass Beth inzwischen weit, weit weg von hier war.
»Früher oder später müssen sie das Haus doch mal verlassen«, sagte Brody Pittman mit der weinerlichen Stimme, die Beth inzwischen so richtig verhasst war. Er nervte sie, wann immer er den Mund aufmachte.
Aber sie war auf seine Hilfe angewiesen gewesen, und sie verdankte ihm so einiges. Sie hatte es glatt noch ein zweites Mal geschafft, ihn mithilfe des Telefons von »Schwester Einfalt« zu kontaktieren und ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Dann war er unter dem Vorwand, er habe sein Werkzeug vergessen, ins Gefängnis zurückgekehrt, und ein kleines Feuer hatte die Pfleger abgelenkt und es ihm ermöglicht, sie hinauszuschmuggeln. Nur gut, dass es in ihrem Flügel nur wenig Wachpersonal gab und meist niemand so
genau wusste, welcher Patient sich gerade wo aufhielt.
Doch jetzt war sie draußen und nicht mehr auf Brody angewiesen. Dummerweise ließ er sich nicht abschütteln. Kein Wunder, nachdem ich ihm von den Diamanten erzählt habe, dachte Beth frustriert.
»Kannst du dir nicht irgendetwas ausdenken, Beth?«, nörgelte Brody.
»Wir müssen einfach geduldig sein.« Sie sah sich in ihrem Versteck um. Ihre Wahl war auf die frei stehende Garage eines Nachbars gefallen, mit dem ihre Großmutter auf Kriegsfuß gestanden hatte. Grenzstreitigkeiten. Natürlich hatten die Leute vor Gericht den Kürzeren gezogen. Dank des Bürgermeisteramtes war es für Grandma ein Leichtes gewesen, die alten Landvermessungsaufzeichnungen zu manipulieren. Beth fand es äußerst gewieft, sich hier einzuquartieren, denn in Anbetracht des angespannten Verhältnisses zur Familie Perkins würde sie hier bestimmt niemand vermuten. Zum Glück verbrachten die Nachbarn den Winter wie üblich in Florida und hatten die Garage nicht mit einer Alarmanlage ausgestattet. Das taten die wenigsten hier, und bei einer alten Garage hätte das auch keinen Sinn ergeben.
»Ich habe Hunger«, jammerte Brody.
Beth biss die Zähne zusammen, als sie seine quengelnde Stimme hörte. »Tja, wenn du einen Laden mit etwas mehr Geld in der Kasse ausgesucht hättest, dann müssten wir uns die mickrige Ausbeute jetzt nicht so genau einteilen.«
Sie hatten das Fluchtauto auf einem Parkplatz stehen lassen und den Weg zu Fuß fortgesetzt, bis sie auf ein unabgeschlossenes Auto gestoßen waren, das Brody dann gestartet hatte, indem er zwei Drähte miteinander kurzgeschlossen hatte. Abgesehen vom Sex war das eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, bei denen er zur Abwechslung mal zu etwas nütze gewesen war.
Ansonsten war der Kerl zu nichts zu gebrauchen. Er hatte vergessen, Bargeld für die Fahrt zu besorgen, so dass sie gezwungen gewesen waren, ein Geschäft zu überfallen. Es war ihre Idee gewesen, dafür nach Rhode Island zu fahren, weit weg von zu Hause. Und sie hatte Brody befohlen, nach dem Überfall in Richtung Südwesten davonzufahren, für den Fall, dass man sie beobachtete. Sie hatten einen Tag in einem Motel abgewartet, wo sie sich die Haare geschnitten und gefärbt hatte, und dann waren sie auf Nebenstraßen nach Perkins gefahren.
»Können wir nicht einfach reingehen und das Tagebuch holen, während sie schlafen?«, erkundigte sich Brody, dabei hatte sie es ihm schon hundertmal erklärt.
»Nein! Das Risiko ist zu groß. Ich will meiner Schwester nicht
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