Mach doch - Roman
selbst jetzt galt ihre einzige Sorge dem lichterloh brennenden Tagebuch.
»Los, raus hier«, sagte Jason, ohne den Blick von Beth und dem Feuer abzuwenden. »Nun mach schon, Lauren!«
Sie zögerte, wollte die beiden nicht allein lassen, hetzte dann jedoch zur Tür. Von draußen drang das Geheul von Sirenen an ihr Ohr. Sie hielt inne und sah über die Schulter zu Jason.
»Ich habe die Polizei alarmiert«, sagte er. Dann packte er Beth am Arm, um sie aus dem Schlafzimmer zu zerren. »Los jetzt!« Sie setzte sich hysterisch brüllend zur Wehr und trat nach ihm.
Er musste seine ganze Kraft aufwenden, um sie nach draußen zu bugsieren, während sie weiter den Verlust des Tagebuches und irgendwelcher Diamanten beklagte.
Wenigstens war er nicht gezwungen, die Waffe einzusetzen.
Kapitel 17
Jason hatte ein regelrechtes Déjà-vu, als die Feuerwehr zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit daran ging, den sich rasch ausbreitenden Brand unter Kontrolle zu bringen. Neben dem Streifenwagen der Polizei stand ein Rettungsfahrzeug, und es kam Jason ganz gelegen, dass Lauren und er von Sanitätern sogleich in den Wagen gebeten wurden, durchgecheckt wurden, denn auf diese Weise musste Lauren das geistesgestörte Gezeter ihrer Schwester nicht länger als nötig mit anhören.
Nachdem man ihn untersucht hatte, wurde er gebeten, auszusteigen. Er wollte schon Einwände erheben, doch Lauren winkte ab. »Keine Sorge, mir geht es gut.«
Ihrem gequälten Blick nach zu urteilen ging es ihr keineswegs gut, und das würde wohl noch eine ganze Weile so bleiben, aber er fügte sich, weil sie ganz offensichtlich etwas Abstand brauchte. Ihm ging es ähnlich.
Als er gesehen hatte, wie Brody Pittman ihr eine Pistole an die Brust hielt, wäre Jason vor Schreck beinahe ohnmächtig geworden. Wut und eine zermürbende Hilflosigkeit hatten sich seiner bemächtigt. Ihm waren
die Hände gebunden gewesen. Jede impulsive Handlung hätte sie das Leben kosten können. Also hatte er seine Chance abgewartet, in dem Wissen, dass die Polizei bereits unterwegs war.
Lauren hatte offenbar genau dasselbe getan. Er war unheimlich stolz auf sie. Sie hatte es wieder einmal geschafft, ihn zu verblüffen, mit ihrem Mut, ihrer Charakterstärke, ihrer Geistesgegenwart und nicht zuletzt mit ihrer Aufrichtigkeit. Sie hatte wie üblich das Herz auf der Zunge getragen.
Und es war genau dieses Herz, das ihm eine heillose Angst einjagte. Klarer Fall von »Überleg dir gut, was du dir wünschst, denn es könnte in Erfüllung gehen«. Die Frau, die er liebte, liebte ihn ebenfalls, und wie um es zu beweisen, hatte sie sogar ihre Schwester angegriffen, um ihn vor ihr zu beschützen.
Liebe.
Es hatte eine Zeit gegeben, da war er überzeugt gewesen, das würde reichen. Die Fehde zwischen ihren Familien war ihm genauso egal gewesen wie die negativen Gefühle, die seine Verwandten Lauren und Beth gegenüber hegten, und auch um den Corwin-Fluch hatte er sich nie geschert. Lauren war nicht ihre Schwester oder ihre Großmutter. Sie war ein eigenständiger Mensch mit einer eigenständigen Persönlichkeit. Sie war wirklich etwas Besonderes, herzlich, offen, großzügig.
Genau hier lag das Problem. Sie verdiente einen Mann, der ihr ebenbürtig war. Vor ein paar Jahren noch hätte er behauptet, er sei genau der Richtige
für sie. Doch wenn er heute in den Spiegel blickte, dann sah er einen ziellosen, verlorenen Mann. Nach dem Glücksgefühl, das ihm der sportliche Wettkampf beim Snowboarden beschert hatte, stellte es ihn einfach nicht zufrieden, mit seinem Bauunternehmen sein Geld zu verdienen. Und die Aussicht, künftig auf Laurens Einkommen und Erfolg angewiesen zu sein, reizte ihn erst recht nicht.
Er musste sich neue Ziele stecken, musste einen neuen Traum verfolgen. Erst dann konnte er Lauren geben, was sie verdiente.
Lauren krempelte den Ärmel herunter und griff nach ihrem Mantel. Ihr Blutdruck war – unter den gegebenen Umständen – in Ordnung. Sie brauchte auch keinen Sauerstoff, denn sie waren dem Rauch nicht allzu lange ausgesetzt gewesen. Und abgesehen von der Tatsache, dass ihr nach Brodys Ohrfeige noch immer der Kiefer schmerzte, hatte sie keine nennenswerten physischen Schäden davongetragen.
Dafür waren die psychischen umso verheerender.
Jetzt stand endgültig fest, dass ihre Schwester verrückt war. Geistesgestört. Warum fiel ihr das erst jetzt auf? Warum hatte sie hartnäckig an das Gute in ihrer Schwester geglaubt, obwohl diese schon mehr als einmal ihre
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