Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
Vom Netzwerk:
wieder, warum diese frostigen Blicke, die starren Mienen und wütend zugeknallten Türen, sie, die Dunkas, lebten doch so, wie sie es gewohnt waren, sie konnten doch nichts dafür, dass sie so wenig Platz und ihre Kinder Hummeln im Hintern hatten   …
    Als Erster gab der alte Herr Horáček auf und zog zu seiner Tochter nach Benešov, auf seine alten Tage könne er so nicht mehr leben, er fuchtelte mit dem Stock, als könnte er diese fremden, sonderbaren und lauten Menschen, die sich scheinbar das ganze lange Jahr hindurch nicht wuschen, mit seinem dünnen Spazierstock vertreiben. Bald danach zog auch Frau Chrastinová aus ihrer Parterrewohnung aus, weitere Nachbarn folgten, sie gingen zum Amt und baten um neue Wohnungen, alle wollten weg von Žižkov, von ihrem heimatlichen Viertel, möglichst weit weg von Hundepfützen, blakenden Feuerchen, verrußten Decken, Glasscherben, ausgeschlagenen Fenstern, verbrannten Türen und einer Holztreppe, die sich hundert Jahre gehalten hatte, um innerhalb eines einzigen Winters ausgerissen zu werden   …
    Jedes Mal, wenn ein Umzugswagen vor dem Haus hielt, rannten die Dunkas nach unten, um zu helfen, die Erwachsenen schleppten Schränke, Betten und Tische, die Kinder |54| flitzten mit Gadsche-Lampen, Fikusbäumchen und Büchern hin und her. Als hätten alle einen Schluck Lebenswasser zu sich genommen, sogar die schwerstkranken Invaliden lebten auf, die doch noch einen Tag zuvor vor der Gesundheitskommission geschworen hatten, so gerne arbeiten zu wollen, es aber nicht zu können, wegen der höllischen Rückenschmerzen, Herr Dochtor   … Beim Umzug waren alle dabei, denn auf der Pawlatsche stand Štefan und sah aufmerksam zu, um später die freien Wohnungen und Zimmer je nach Verdienst zu verteilen.
    Das erste Mal holten sich die Dunkas die Wohnungsschlüssel noch vom Amt, sie schlugen dort die Hände zusammen und jammerten und klagten, wie viele Kinder sie hätten und wie böse die Frau hinter dem Schreibtisch sei, sie würde die Zigeuner nicht mögen, sie habe kein Herz, wenn sie so viele Menschen zusammen auf so kleinem Raum leben ließe   … Das nächste Mal kamen sie und sagten nur: Her mit dem Schlüssel   … und später bemühten sie sich gar nicht mehr zum Amt und fragten niemanden.
    Aber es wollte auch nie wieder ein Gadsche in ihr Haus einziehen.
     
    Schließlich floh sogar die alte Frau Procházková, die hier geboren worden war und hier auch hatte sterben wollen. Die alte Dame gehörte zum Haus und das Haus hatte einst ihr gehört, bevor es ihr genommen worden war, von selbst wäre sie nie gegangen. Aber Andrejkos Cousins konnten sie nicht ausstehen, sie hatte ständig was zu meckern, warum sie den Kram von der Straße ins Haus schleppen würden, warum sie die ganze Nacht schreien müssten, warum sie im Innenhof Feuer machten, wieso es ihnen nicht peinlich sei, so unanständig zu reden und zu schreien, was hätte sie, die Frau Procházková, |55| denn verbrochen, dass sie sich das hier anhören, dass sie hier so leben müsse   … Du Fotze, halt die Klappe, du alte Hexe, riefen sie ihr über den Hof zu, und Štefan ließ es zu, weil er nur zu gut wusste, dass der alten Frau keiner zur Hilfe kommen, dass keiner nur einen Finger für sie krumm machen würde, weil sie eben eine ehemalige Hausbesitzerin war.
    Einmal, als sie nicht zu Hause war, fingen Imro und Marián ihren schwarzen Kater und nagelten ihn an die Tür, kreuzigten ihn mit ausgebreiteten Pfoten   – es war kurz vor Ostern   –, damit die olle Fotze nicht zur Kirche musste   … Andrejko und die anderen Kinder sahen den Cousins zu und hörten, wie das furchtbare Katzengeschrei, das Röcheln und das Jammern, immer schwächer wurde, bis es ganz still wurde im Hof.
    Als Štefan abends nach Hause kam, wankte er an dem ausgerissenen Pawlatschengeländer vorbei und rempelte dabei die alte Frau an, sie hockte jammernd auf dem Boden, er stieg über sie hinweg und spuckte noch aus, aber der Kater wollte ihm doch keine Ruhe lassen. Nachts kehrte er zurück, riss den steifen Kadaver von der Tür und schmiss ihn in den Hof auf den Misthaufen. Der ist schwarz, bringt nur Unglück, schrie er so laut, dass es jeder im Haus hören konnte, Hundsblut, Pest und Cholera, wütete er, Ida duckte sich vor ihm, und die Jungs rannten weg, sie trauten sich erst in die Wohnung, als Štefan eingeschlafen war.
    Die alte Frau Procházková, der einst das Haus gehört hatte, verschwand, sie zog nicht einmal aus, sondern ist

Weitere Kostenlose Bücher