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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Augen erfreuen, die durch die glühende Hitze der Glimmkohle zum Leuchten gebracht wurden   … Im Sommer spendete die Heizung keine Wärme, die Rohre waren in ein paar Minuten durchgesägt, und die Flasche Apfelschnaps wärmte schon gleich auf dem Rückweg |51| von der Rohstoffsammelstelle   … Die verbrannten Türen fehlten auch keinem, niemand schloss sich in einem Zimmer ein, man brauchte einen freien Raum, um die anderen zu treffen, um sie zu sehen, mit ihnen am Tisch zu sitzen, zu reden und zu singen oder einfach um gemeinsam zu schweigen und einander zu berühren, zu atmen und zu leben.
    So lebten die Lakatoš und die Kotlárs in der alten Bergmannstadt Most. Sie durchbrachen die Wände zwischen den einzelnen Wohnungen, damit sie nicht durchs Treppenhaus mussten, wenn sie die Nachbarn besuchen wollten, sie sägten die Heizungsrohre durch und verfeuerten die Türen, brachten die Regenrinnen und Blechplatten in die Sammelstelle, an den Regen von gestern dachte keiner mehr, und wenn einer das Fenster nicht aufbekam, dann schlug er es aus, damit der Rauch den Weg nach draußen fand   … Bis zum Herbst waren von den Häusern nur verrußte Betonplatten und nackte Fensterhöhlen übrig geblieben, durch die der Wind pfiff. Auch der nagelneue Aufzug war in der Rohstoffsammelstelle gelandet, sogar die Seile und das Geländer um den Schacht herum, und damit die Männer nicht mit leeren Händen zurückkommen mussten, schleppten sie von der Mülldeponie alte Kühlschränke und kaputte Möbel an. Den Müll warf man aus dem Fenster oder in den Aufzugsschacht, weil es zu den Mülltonnen zu weit war, und alle schwatzten, sangen und schrien, gingen mit ihren Rasiermessern und Dolchen aufeinander los, aber noch bevor das vergossene Blut getrocknet war, lagen sie sich schon wieder in den Armen. An ihre morastigen Siedlungen weit weg im Osten dachte keiner mehr, nicht einmal an den Onkel Štefan in Žižkov.
     
    Eines Tages brachten die Kinder einen Welpen nach Hause, einen zotteligen Mischling mit rosiger Zunge, stechenden |52| Schlehdornaugen und langen, schlammverklebten Zotteln. Der kleine Hund war aus demselben Holz geschnitzt, tagaus, tagein suchte er alle Ecken im Innenhof ab, wühlte im Müll und suchte nach vergammelten Fleischresten, Knochen und verreckten Ratten, manchmal schnappte er sich eine Fußmatte und schleppte sie in die Mitte der Pawlatsche, dort fläzte er sich zufrieden hin und tat so, als schliefe er, dabei entging ihm rein gar nichts. Am liebsten bellte er nachts, das ganze Haus sprang auf die Beine, die Mieter stopften sich Watte in die Ohren und verkrochen sich unter ihren Kopfkissen, bissen die Zähne zusammen und versuchten noch einmal einzuschlafen, für die kurze Zeit, bis der Wecker klingelte oder der Zigeunerköter wieder zu kläffen anfing   …
    Als der kleine Hund verschwunden war, fühlten sich alle erleichtert, aber ein paar Tage später tauchte er wieder auf, mit einem verwuschelten Hundefräulein im Schlepptau. In einem Pappkarton neben der Heizung kamen die Welpen auf die Welt, blinde Haarknäuel auf wackeligen Beinchen, sie wurden von den Kindern mit bunten Schleifen geschmückt und überallhin mitgenommen, zusammen mit den Babys im Kinderwagen spazieren gefahren, sie aßen alle gemeinsam und schliefen in einem Bett. Die Welpen wurden größer, ihre Zähne und Klauen wurden spitz und scharf, sie rissen Fußmatten, Schuhe und Wäsche in Stücke und gaben kein unsicheres Kläffen mehr von sich, sondern bellten richtig, oder sie wimmerten laut, wenn ihnen etwas wehtat.
    Die kleinen Köter waren gerissen. Sie hatten sofort raus, welches ihr Rudel war, vor wem sie kuschen, vor wem sie den Schwanz einziehen mussten, an wessen Beine sie sich fröhlich schmiegen durften, wen sie anknurren, anbellen und wem sie die Hosenbeine zerfetzen sollten. Bald wussten sie, vor welcher Tür sie die Reste vom Abendessen abwarten und vor |53| welcher Tür sie unbedingt pinkeln sollten, um deutlich zu machen, dass sie ihnen gehörte und dass sie sich hinter dieser Tür zu Hause fühlten.
    Fremde Türen und Klinken wiederum wurden von Andrejkos Cousins angepinkelt, manchmal auch von Štefan, wenn er nachts nach Hause kam, und die verzweifelten Nachbarn hörten allmählich auf, sich zu beschweren, es war sowieso fruchtlos, denn auf der ganzen Welt gab es keine Macht, die den Dunkas hätte Befehle erteilen können. Und die Dunkas schüttelten verständnislos die Köpfe, was hatten die Gadsche denn schon

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