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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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sich vor ihren quietschenden Karren und kaufte den Bauern Schafswolle und Kaninchenfelle ab, mehr erlaubten ihr die neuen Gesetze nicht, für ein paar Zerquetschte verkaufte sie die Ware dann in der Stadt denjenigen, die die einstigen jüdischen Läden beschlagnahmt hatten.
    |61| Den Poljanern war es peinlich, Geld von ihr zu verlangen, sie steckten ihr lieber ein Stück Brot oder Speck zu, aber eines Tages hob die alte Frau einen Pappkoffer auf ihren Karren und stellte sich vor die Kirche. Ein überfüllter Lastwagen kam, Hanele wurde auf die Ladefläche hinaufgezogen, und ihr runzliges Gesicht verschwand hinter einer schweren, grauen Plane.
    Seitdem hatte man nie wieder von ihr gehört   … Nur ihr Karren blieb am Straßenrand stehen, und keiner aus dem Dorf fand den Mut, ihn wegzuräumen, allerdings nicht wegen des Schimmels, nach dem er roch, und nicht wegen der Motten, die aus ihm hinausschwärmten. Als er von den Dunkas mitgenommen wurde, fühlten sich alle erleichtert. Aber die Dunkas haben sich nicht lange über den Karren freuen können, schon ein paar Tage später tauchten in Poljana wieder Lastwagen auf, diesmal, um sie zu holen   …
    ***
    Dieser Krieg hatte sich nicht mit Kanonendonner, knatternden Maschinengewehrsalven und brennenden Häusern angekündigt. Dieser Krieg hatte mit der Vertreibung der tschechischen Gendarmen aus der Wache in Zboj begonnen, mit dem Berufsverbot für tschechische Lehrer und mit dem sechszackigen Stern an der Tür der alten Hanele. Erst später, als der Krieg zu Ende ging, wurden ganze Dörfer von den Deutschen niedergebrannt, und als die Front näher rückte, haben die Bauern von Poljana ihre Pferde holen und haufenweise leblose Körper in zerrissenen grauen Uniformen auf ihre Wagen laden und wegbringen müssen. Danach wurde es wieder ruhig, bis plötzlich die Russen auftauchten, untersetzte Typen in verdreckten Russenhemden, die nach Rauch, Steppengras |62| und Schneeballsträuchern rochen, sie hatten es eilig, schnappten sich ein Stück Brot, spülten es mit einem Schluck Schnaps herunter, und schon hasteten sie weiter. Hinter ihnen wälzte sich ein staubiger Fluss von Menschen in Lumpen, sie kamen auf Pferden, in Wagen und zu Fuß, wie einst die Tartarenhorden aus der Steppe   … Erst die Letzten rissen den Dörflern ihre Armbanduhren von den Handgelenken und nahmen ihnen die Pferde weg, die die Deutschen nicht mehr hatten konfiszieren können. Marika, die Magd der Jankuras, wurde von den Russen vergewaltigt, auch Paraska Jasenčáková, ein kleines Mädchen mit Zöpfen, man hatte sie auf dem Nachhauseweg abgefangen und eine ganze Mannschaft wechselte sich auf ihr ab, ihr eigener Vater musste dabei zusehen, bis man ihn mit einer Maschinengewehrsalve niederstreckte   …
    Merkwürdige Dinge gingen vor sich. Durch das wunderschöne Land am Fuße der Berge kreuzten schwarze Autos mit Kommissaren in langen Ledermänteln, eines Nachts verschwand der alte Jasenčák, der Postmeister aus Zboj, vielleicht weil er als Einziger im Dorf Abitur hatte, ein paar Wochen später wurde auf der anderen Seite der Beskiden ein ganzes ruthenisches Dorf in den Osten umgesiedelt, in die dürre und karge kasachische Steppe.
     
    Da waren die Dunkas schon nach Poljana zurückgekehrt, aus dem Nichts zauberten sie verrußte Kessel hervor und entfachten zwischen ihren verfallenen Hütten kleine Feuer, sie wärmten ihre Hände über den Flammen und waren glücklich, dass sie keine Gleisanlagen mit Schotter mehr stopfen mussten, dass sie wieder nur herumliegen, in die Sonne blinzeln und unter den Sternen schlafen durften   … Erst einige Tage später, als der erste heftige Regenschauer kam und sie aneinandergepresst vor Kälte mit den Zähnen klapperten, |63| erst da fingen sie an, Steine anzuschleppen und aus Weidenruten, Lehm und Stroh Ziegel zusammenzukleistern.
    Es gab viel Arbeit für sie in der Gegend: Pferde beschlagen, holperige Wege ausbessern, aus Stahlscherben, von denen die umliegenden Felder und Wälder geradezu überquollen, neue Pflugscharen, Hacken und Schaufeln schmieden   … aber in den Bergen wurde immer noch geschossen, noch zwei Jahre nach Kriegsende wurden auf der polnischen Seite der Beskiden die übrig gebliebenen Ruthenendörfer von Soldaten niedergebrannt, ihre Bewohner wurden nach Schlesien und Pommern gebracht, wo nach der Vertreibung der Deutschen Häuser leer standen. Auch das Städtchen Sianki, in dem die Dunkas früher ihren Pferdehandel betrieben hatten, war

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