Mach mal Feuer, Kleine - Roman
werden …
Auch der alte Laco dachte nicht mehr an sein altes Zuhause, Laco, der noch gestern seinen wunderschönen Hengst aus der Siedlung weggebracht hatte. Zuerst hatte er ihn ins |46| Dorf geführt, um ihn dort zu verscherbeln, aber es sich dann anders überlegt, eine Schande wäre das, einen so schönen Hengst einfach zu verkaufen, und er hatte das Dorf hinter sich gelassen und sein geliebtes Pferd quer durch den Wald von Borsučiny bis auf die Hochebene hinaufgebracht, dort hatte er ihm das Halfter abgenommen und ihm mit seinem Knotenstock einen solchen Klaps auf den Hintern gegeben, dass das scheuende Pferd durch das hohe, mit Morgentau getränkte Gras davongaloppiert und schließlich im Wald verschwunden war. Laco hatte ihm nachgesehen und konnte seine Tränen nicht zurückhalten. So geweint hatte er weder bei der Beerdigung seiner Frau noch bei der seines Sohnes, der zwei Wochen darauf gestorben war.
Das hatte sich erst am Vortag ereignet … aber kaum hatten Laco und Štefan die dritte Flasche aufgemacht, fiel Laco unter den Tisch und sein Hengst löste sich in der Dunkelheit auf. Alle Dunkas aus Poljana waren da. Nur Andrejkos Mama, die schöne Mária, war nicht in Žižkov aufgetaucht. Andrejko lief von einem zum anderen, zupfte an Ärmeln, fragte, wo seine Mama abgeblieben sei, aber keiner hatte Zeit für ihn, sie wimmelten ihn ab oder redeten über etwas anderes.
In Žižkov begann für die Dunkas ein neues Leben. Ein Leben zwischen Mietshäusern, Autos und Straßenbahnen, ein Leben im Zeichen der Uhrzeiger. Früher hatte ein Dunka nur aus einem Grund eine Armbanduhr besessen: um mit ihr anzugeben, so wie er es von den Gadsche kannte, es spielte keine Rolle, ob sie ging oder nicht, weil das Leben in Poljana der Abend- und Morgendämmerung folgte. Sie lebten ja auch nach der Sonne, dem Wind, dem Regen und den Sternen. Aber in Prag waren sie in einer anderen Welt aufgetaucht, in einem vollkommen anderen Zeitalter angekommen, binnen |47| einer Nacht hatten sie ganze Jahrhunderte übersprungen, die von den Gadsche mühsam hatten erobert werden müssen.
Auch an den Lärm und die Schritte über ihrem Kopf konnten sie sich nur schwer gewöhnen, sie hatten sich bisher immer ausbreiten können, hatten unter freiem Himmel gelebt, die ersten Tage wollten sie nicht einmal drinnen schlafen, sie machten es sich im Innenhof bequem, sie hatten Angst, die hohen Decken könnten nachts über ihnen einstürzen … Mit der dritten Dimension, der Höhe, taten sie sich ebenfalls schwer, damit, dass eine Treppe in ein anderes Stockwerk führte und dass die Wohnungen und die Außentoiletten übereinanderlagen.
Der Abtritt, wie sie ihn kannten, war ein schmaler Bretterverschlag oder ein quer über einer Grube liegender Baumstamm oder ganz gewöhnliches Gestrüpp, aber es war immer ein Ort, an dem man träumen, laut schreien oder weinen konnte, denn nirgendwo auf der Welt konnte man sich so gut erleichtern wie unter dem Sternenhimmel, da wurde man von Ideen heimgesucht, dass man es geradezu kalt den Rücken hinunterrieseln spürte … aber hier, am äußeren Ende der Pawlatsche, ließ sich nicht einmal eine Zigarette in Ruhe rauchen, ständig trommelte jemand gegen die Tür, dass man endlich den Hintern hochheben und sich trollen solle, und wurde eine Etage höher die Spülung in Gang gesetzt, brauste es so, als würde einem alles direkt auf dem Kopf landen …
In Žižkov wurde wieder neu erschaffen, was in Ostrava zerstört worden war: eine große und starke Familie, verbunden durch hundertjährige Bräuche und Gesetze, die ganz anders waren als die Gesetze der Gadsche, anders als alles, was die Nachbarn oder Beamten gewohnt waren. Štefan ließ nur jene weißen Gesetze gelten, die für ihn von Vorteil waren, Regeln interessierten ihn nicht. Und nun strahlte er, weil |48| er Gäste hatte,
Kas o Del andro kher anďas, me les avri na čhivava …
Wen Gott ins Haus bringt, den wirft man nicht hinaus – so lauteten wiederum seine Gesetze.
Wenn die Gadsche Besuch bekamen, brühten sie Kaffee auf und legten ein paar Kekse auf den Teller, aber für die Dunkas bedeuteten Gäste viel mehr: Einem Gast öffnete man Herz und Speisekammer, man tischte ihm das beste Fleisch, Wurst und Schinken auf, und wenn alles aufgegessen war, borgte man sich Geld, selbst wenn man bis zum Monatsende nur noch von trockenem Brot leben sollte. Was man hatte, das teilte man, und hatte man nichts, dann wurde auch das
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