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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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schnell mit dem Gedanken an, dass man besser das Geld vom Sozialamt beziehe, als arbeiten zu gehen, sie hatten kapiert, dass sie von ihren Kindern besser leben konnten, und von Zeit zu Zeit behalfen sie sich |66| mit Kohl und Kartoffeln aus den schmalen Feldern hinter Poljana, manchmal ließen sie auch ein Lämmchen aus dem
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oder von der Weide mitgehen. Aber als Laco und der junge Dezider erstmals einen neugeborenen Hengst direkt von der Koppel wegtrieben, da griffen die Dörfler zu ihren Stöcken und es floss Blut, denn die beiden hatten jenes ungeschriebene Gesetz verletzt, das in Poljana jeder, ob schwarz oder weiß, seit Jahrhunderten in Ehren hielt.
    Und so wuchs auch hier allmählich eine unsichtbare Mauer empor, eine Mauer zwischen der Siedlung und dem Dorf, zwischen den Zigeunern und den Gadsche, die es im ganzen Land gab, eine Mauer zwischen Männern, die ins Wirtshaus durften oder nicht und beim Arzt getrennte Wartezimmer vorfanden, eine Mauer zwischen Kindern, die dieselbe Schule durch zwei unterschiedliche Eingänge betraten, getrennte Toiletten und zweierlei Geschirr in der Kantine benutzen mussten, das eine nagelneu und blitzeblank für die Gadsche-Kinder, die mit Messer und Gabel aßen, das andere zerkratzt und angeschlagen für die Zigeunerkinder, die sich mit einem Löffel begnügen mussten.
    Aber nicht jeder im Land hatte alles vergessen, manch einer schämte sich noch heute für die Lager von damals. Vielen war nicht wohl beim Gedanken an die zwei Eingänge und an zweierlei Teller und Toiletten, es tat ihnen leid, dass die Dunkas Poljana verließen, dass sie nach der alten Hanele nun auch die Zigeuner verlieren sollten. Sie vermissten die Kinder aus der Siedlung, die sie früher von den Apfel- und Birnbäumen hatten herunterschütteln müssen, sie sehnten sich nach der schluchzenden Geigenstimme, es schmerzte sie, dass sie schon wieder ärmer geworden waren   …
    Als die alte, verrußte Schenke abgerissen wurde und die Reste der Siedlung unter Brennnesseln und Melde verschwanden, |67| da gerieten Hanele und die Zigeuner allmählich in Vergessenheit. Da hätte Michal Lemek, der Bürgermeister von Poljana, in seiner Chronik unter diesen Abschnitt der Dorfgeschichte endlich einen dicken Strich ziehen können, er hätte diesen Weg, der einmal von den Dorfbewohnern und von der Dunka-Sippe gemeinsam beschritten worden war, endgültig für geschlossen erklären können. Wenn ihn nicht eine seltsame Vorahnung befallen hätte, das Gefühl, dass alles anders kommen könne   …

|68| 6.
    Andrejko brauchte nun niemanden mehr, der seine Wehwehchen verarztete, die Sehnsucht nach seiner Mama trieb ihm keine Tränen mehr in die Augen. Zusammen mit den anderen Jungs lungerte er in den Straßen von Prag herum und dachte pausenlos darüber nach, wo man was klauen könnte, nicht mal vor den Bullen hatte er Angst. Obwohl sie ihn manchmal erwischt hatten: Wie aber sollte man einer kleinen Rotznase im schmuddeligen T-Shirt und einer Hose mit abgerissenen Taschen, die das Gesicht zum Weinen verzieht und den Mund nicht aufmacht, etwas beweisen, wenn klar war, dass das geklaute Geld bereits durch mehrere flinke Kinderhände gegangen war und dass die leere Geldbörse längst in einem Mülleimer, unter den Füßen nichts ahnender Fahrgäste oder sogar wieder an ihrem alten Platz in der Einkaufstüte oder in der Manteltasche lag? Und die Jungs waren tatsächlich flink. Einer passte auf, zwei andere stellten sich in die Ladentür oder mitten auf die Treppe in der Straßenbahn, Andrejkos Hand schnellte unter einer lässig über der Schulter hängenden Jacke hervor, und schon lichtete sich das Gedränge, die Jungs, die von Andrejko ablenken sollten, machten die Biege, und der Allerkleinste aus der Clique schlenderte seelenruhig mit der Beute nach Hause.
    Am besten ging es in der Straßenbahn, aber auch in der Schlange vor einem Geschäft, im Bus oder in der Metro lief |69| es nicht schlecht. Die wahre Erntezeit lag vor Weihnachten, in den überfüllten Geschäften, oder im Sommer, wenn es in Prag vor Touristen wimmelte, Touristen mit Reisepässen aus reichen Ländern mit verlässlichen Währungen wie Dollars, Francs oder D-Mark , die von Štefans Bruder, dem Invalidenrentner Miro, nicht mehr in Kneipen und Spelunken, sondern in den besseren Etablissements feilgeboten wurden. Dort, in weichen Plüschsesseln im Hinterzimmer, saßen die Gadsche-Chefs in teuren Anzügen und führten die Geschäfte.
     
    Es gab aber noch

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