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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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einen anderen, zuverlässigeren Weg, an Geld zu kommen: Frührente und Kindergeld. Darin bestand der größte Unterschied zwischen der schwarzen und weißen Welt, ein Unterschied wie Tag und Nacht, wie Wasser und Feuer: Um ein, zwei Kinder durchzubringen, besorgte sich ein Gadsche einen zweiten oder dritten Job, für den Sonntag sogar noch eine zusätzliche Maloche   – ein Zigeuner ging es anders an, viel klüger.
Nane čhave, nane love, nane bacht,
hieß es, ohne Kinder weder Moneten noch Glück, und dass es besser, einfacher und angenehmer war, Kinder zu zeugen, als jeden Morgen zeitig zur Arbeit aufzubrechen, lag auf der Hand   … Manchmal trieb sich Štefan ganze Vormittage in den Ämtern herum, um herauszufinden, wie viele Kinder er machen müsste, um monatlich auf zehntausend zu kommen, und wie viele, um weitere zweitausend zu bekommen, bis er sich am Ende mit den Beamten streiten musste, dass sie alles falsch berechnet hatten   …
    Miro wiederum brachte das Diebesgut von Andrejkos Clique in Umlauf, und wenn er schon deswegen Hotels aufsuchte, vermittelte er dort mithilfe des Empfangspersonals auch gleich seine Cousinen oder andere Frauen, die sich was |70| dazuverdienen wollten, an die Gäste weiter. Den Kindern wollte es nicht in den Kopf, wie der Onkel Geld verdienen kann, indem er etwas zuhält, aber sie fanden, Miro war ein toller Hecht, er trug Jeans, fuhr Auto, und manchmal spendierte er ihnen Fahrten mit der Achterbahn oder auf einem Karussell, bis zum Abend durften sie fahren, so dass ihnen die ganze Nacht schlecht war. Die Erwachsenen aber fürchteten sich vor Miro, weil er gerne einen über den Durst trank und sich dann aufspielte und mit einer entsicherten Pistole herumfuchtelte, die er mal bei den Bullen hatte mitgehen lassen.
    Die anderen Dunkas besaßen keine Waffen, höchstens einen Hirschfänger oder ein Rasiermesser, um Kabelisolierung herunterzuschälen, die Aluminiumverkleidung der Straßenlaternen aufzubrechen oder alte Pappkartons aufzuschneiden. Jeder schlug sich durch, so gut er konnte. Männer brachten altes Eisen in die Rohstoffsammelstelle, alte Frauen und Kinder schnorrten vor dem Bahnhof Zigaretten oder Kleingeld für eine Fahrkarte. Und wenn es ganz arg wurde, fand sich immer eine helfende Hand, jemand borgte Geld oder half mit Lebensmitteln aus, denn man wusste ja nie, wann man selbst Hilfe brauchen würde. Das Blatt konnte sich manchmal ganz schnell wenden, das Glück war launischer als das Aprilwetter.
    Wer keine Kinder hatte und nicht mal in der Lage war, eine Frührente zu ergattern, der musste zur Arbeit, den Maurern auf dem Bau zur Hand gehen, bei der Eisenbahn die Weichen schmieren oder Straßenbahnwaggons waschen. Am schlimmsten war es in der Fabrik. Die Dunkas waren es nicht gewohnt, im Dunkeln aufzustehen, sie hielten es nicht aus, an der Maschine zu stehen, und schon eine halbe Stunde später saßen sie im Pausenraum und wunderten sich, warum der Meister so schrie, sie hatten ja schon gearbeitet, ihre Hände |71| waren so schrecklich müde   … Das Geld sahen sie erst einen Monat später am Zahltag, der Durst nach der furchtbaren Plackerei war aber schon heute da, der wollte nicht auf die Lohntüte warten   … und sie gingen zum Meister und bettelten, Herr Meister, bitte, geben Sie Vorschuss, wenigstens einen Hunderter, unsere Kinder frieren, unsere Kinder haben Hunger   …
    Aber faul, faul waren sie nicht, das auf keinen Fall. Wenn sie abends von der Schicht kamen und man ihnen Geld in Aussicht stellte, da schnappten sie sich den Krampen oder die Schaufel und legten sich ins Zeug, als hätte man sie mit Lebenswasser begossen, sie schufteten ohne Pause, bis ihnen der Schweiß auf der Stirn stand und die Schwielen auf ihren Handflächen zu bluten anfingen. Auch nachts, mit einem Metallsägeblatt in der Hand waren sie flinker als ein gelernter Schlosser   … Dumm waren sie auch nicht. Als Miro, der nur mit Müh und Not die fünfte Klasse beendet hatte, den Führerschein haben wollte, lernte er das ganze Gesetz auswendig, Wort für Wort, sogar den Testbogen mit sämtlichen Antworten, so ein Gedächtnis hatte Miro, so waren die Dunkas, wenn sie etwas wirklich wollten oder brauchten   …
    Aber am liebsten saßen sie im Hof, schrien sich etwas zu, tranken und rauchten. Das war ihre Art der Arbeit, das war ihr Leben, ihre Freiheit. Wenn sie über das Maß getrunken hatten und es zwischen ihnen zu knallen begann, trollten sie sich lieber, auf die Straße oder

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