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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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oder gekauft vom Geld aus einem
tschoro
. Für sich kaufte Andrejko nichts. Wenn er mal etwas brauchte, neue Schuhe zum Beispiel, dann ging er ins Kaufhaus Kotva oder ins Bílá Labuť, probierte sie an, stellte seine abgelatschten Stiefel ins Regal und spazierte seelenruhig an der Kasse vorbei ins Freie, dabei balancierte er einen Fußball, den er eine Etage höher hatte mitgehen lassen. Und sollte er zu Hause merken, dass ihm die Schuhe nicht gefielen oder dass sie drückten, ging er am nächsten Tag wieder hin und tauschte sie gegen ein anderes Paar aus   … So kaufte er auch für sein Schwesterchen Anetka ein, das dünne schwarze Mädchen mit den riesigen Augen, und für Jolanka, die sich allmählich in eine junge Frau verwandelte, und Marián und Imro waren eifersüchtig auf ihn, wegen dieser Geschenke hassten sie Andrejko regelrecht, und nur mit Müh und Not konnten sie ihren aufgestauten Hass und Groll unterdrücken.
    Einmal brachen sie auf einem Parkplatz ein Auto auf und nahmen das Radio mit, stellten es in der Küche auf den Tisch und warteten auf Andrejko. Als der Kleine die zerschnittenen Hände der Brüder und die abgerissenen Kabel sah, die schlaff von der Tischplatte herunterhingen, da lachte er seine Cousins aus, so könnten auch dressierte Affen Radios klauen, sie seien beide Dummköpfe mit zwei linken Händen   … Marián sprang ihm an die Gurgel und stieß ihn heftig gegen die Wand, Imro schrie, Was mischst du dich ein, du
kokot
, du Wichser, und die beiden Brüder droschen auf Andrejko ein, ihr Groll und ihr Hass waren zu stark, das Fass war übergelaufen   … Zu guter Letzt, da lag der Kleine schon auf dem Boden, traten sie ihn so heftig, dass er sich danach kaum noch bewegen konnte.
    |80| Das ganze Haus geriet in Aufruhr. Dass man jemanden dermaßen zurichtet, der klein ist und noch dazu zur Familie gehört, das hatten die Dunkas noch nie erlebt, das war ein echtes Verbrechen   … Die Tante weinte, die kleineren Kinder machten um Marián und Imro einen großen Bogen, und Štefan verfluchte seine Söhne laut; um ihnen aber die Tür zu weisen, sie zu verjagen, dazu fehlte ihm die Kraft.
    Wenn in Poljana der
čhibalo
, der Vajda, das Zigeuner-Oberhaupt, früher einem den Weg aus der Siedlung gewiesen und gesagt hatte, es gäbe kein Haus, wo der Ausgestoßene Brot fände, es gäbe keine Hände, die ihm Wasser reichten, so war das die schlimmste Strafe seit Anbeginn der Welt, das Schlimmste, was man sich überhaupt vorstellen konnte. Das eigene Zuhause zu verlieren war furchtbarer, als zum Tode verurteilt zu werden. Denn das Zuhause, das waren nicht nur die Häuser und die Hütten, es waren vor allem die Menschen: Horden schmuddeliger Kinder, die barfuß durch den Schnee liefen, Frauen, die sich ums Feuer und um den Herd kümmerten, verhutzelte
strygas
, weise alte Frauen, die Heilkräuter sammelten und aus der Hand lasen, was einem bevorstand und was unvermeidbar war, gebrechliche, weißhaarige Greise, die auf der Türschwelle saßen und von einer weiten Reise erzählten, und auch die alten Lieder, die
phurikane giľa
, das alles zusammen war das Zuhause.
     
    Die Cousins fühlten sich beflügelt, sie waren dabei, einen neuen, unbekannten Weg zu entdecken, und sie fanden Gefallen an ihm. Mit dem kleinen Kater, den sie an der Tür der alten Procházková gekreuzigt hatten, hatte es begonnen, und gleich nachdem sie Andrejko vermöbelt hatten, stürzten sie sich in eine mutige Auseinandersetzung mit einer zittrigen Oma im Park. Die paar Scheine, die sie so verdienten, waren |81| es kaum wert, aber es folgten bessere Tage, ein Einbruch in einen Kiosk und die ersten Zigarettenstangen oder die zusammengeschlagene und ausgeraubte Briefträgerin, die in Karlín die Rente austrug. Die geknackten Autos zählten sie kaum noch   …
    Der Damm war gebrochen   … und die anderen Dunkas schlichen um den zerschundenen Andrejko herum und ahnten, dass etwas passiert war, was nicht hätte passieren dürfen. Schweigend, mit düsterer Miene gingen sie Marián, Imro und Onkel Štefan aus dem Weg, sie sangen nicht mehr. Weil sie nur dann singen konnten, wenn es ihnen gut ging, oder wenn der Weltschmerz sie überkam und ihre Herzen sich öffneten. Aber diesmal fiel die Tür mit einem Unheil verkündenden Knall ins Schloss, und drinnen blieb die Angst, die unbewusste Angst davor, die feine Grenzmarkierung hinter sich gelassen zu haben und dort zu stehen, wo die Gesetze der Gadsche warteten: die Stöcke, die auf

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