Mach mal Feuer, Kleine - Roman
an, Andrejko nach seinen Eltern, Tanten und Onkel auszufragen, nach seinen Cousins und auch nach der Schule, in die er hätte gehen sollen. Andrejko starrte stur vor sich hin und schwieg, aber als sie ihn anfassen wollte, biss er wütend in ihre schwitzige Hand. Der Geschmack ihrer Haut und der intensive Geruch ihres Parfüms verursachten ihm Übelkeit, und er legte seine ganze Angst eines gehetzten Tieres in den Biss hinein, seine ganze Verzweiflung und seine Wut … man konnte ihn kaum losreißen. Als die Dicke eine Stunde später in der Tür seiner Zelle auftauchte, trug sie einen Verband und ihr Gesicht unter der üppigen Schminkschicht war vor Wut verzerrt. Hinter ihr im Flur waren zwei Polizisten zu sehen, sie blieb auf der Schwelle stehen und bellte Andrejko an, jeder sei seines Glückes Schmied, und er könne nun Gift darauf nehmen, dass er seine liebe Familie, diese Nutten, Diebe und Taugenichtse nie mehr wiedersehen würde, dafür trage sie, die Dicke, persönlich Sorge, in das Haus in Žižkov kehre er nie und nimmer zurück, stattdessen komme er an einen Ort, an dem man ihn schon zur Vernunft bringen werde … Die Frau genoss ihre Rede, die einzelnen Wörter kamen wie gemeißelt aus ihrem Mund, und Andrejko hörte ihr schweigend zu, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, starrte er auf den Betonfußboden.
Erst als die Tür hinter ihr zufiel, fing er an zu weinen.
|85| 7.
Die Besserungsanstalt von Kostelec war ein ehemaliges Schloss mit abgebröckeltem Putz und Maschendraht vor den Fenstern, das Eingangstor war mit grauem Blech verkleidet. Drinnen befanden sich ein langer dunkler Flur mit einer Reihe von Spinden, in den Zimmern Eisenbetten mit abblätternder Farbe und einem Nachttisch für jeweils zwei Jungen, am Ende des Flurs schmutzige und stinkende Duschen und Toiletten ohne Türen und im Erdgeschoss ein Speisesaal, der so klein war, dass die jüngeren Kinder im Stehen essen mussten.
Genauso wie das Haus sahen auch die Jungen und die Erzieher aus: verwahrlost und gleichgültig, immer angespannt und auf der Lauer, gefasst auf Schläge von vorne und von hinten, bereit zu allem.
Andrejko hatte zwar zum ersten Mal in seinem Leben ein Bett für sich allein und bekam dreimal am Tag zu essen, aber ihm war, als hätte man ihn unter dreiundzwanzig Imros und Mariáns geworfen, manche der Jungen kamen ihm sogar noch schlimmer vor, und weil er neu war, wurde er zum Prügelknaben auserkoren, zum Sklaven, der den Älteren etwas zu trinken bringt und die Schuhe putzt, morgens die Klos sauber wischt und die Betten macht und sich abends in den Schrank einsperren lässt und alle Viertelstunde die Tür aufreißt und wie ein Kuckuck die genaue Zeit meldet, damit sich die anderen nicht langweilen, oder zwischen den Betten |86| robbt und immer wieder den Kopf hebt und den Haltestellenspruch aus der Metro aufsagt,
Ukončete výstup a nástup, dveře se zavírají,
Beenden Sie das Aussteigen und Einsteigen, die Türen schließen … Die Welt von Kostelec war klein, und es hing von der Kraft des Einzelnen ab, ob er oben oder unten landete. Seinen Platz an der Sonne musste sich jeder hart erkämpfen, nicht selten auch mit Prellungen, ausgeschlagenen Zähnen oder einem gebrochenen Arm bezahlen. Das Schlimmste war, schwach zu werden, sich mit den Erziehern oder kleinen Kindern zu verbrüdern, etwas zu wissen oder zu können, es war ein Verbrechen, sich um etwas zu bemühen, den gewohnten Gang zu stören und aus der Reihe zu fallen. Deswegen gab auch keiner mit dem an, was seine Geschwister oder Eltern da draußen machten oder was sie besaßen, sondern damit, wofür und wie lange sie schon im Knast saßen. Wenn das zufällig nicht der Fall war, dachten sich die Jungs eben etwas aus und glaubten dann auch felsenfest selbst daran; mit ernster Miene und dünner Stimme erzählten sie: Keine Ahnung, wie viel mein Alter gekriegt hat, fünfzehn, zwanzig, vielleicht lebenslänglich, na ja, was man einem heutzutage für Mord aufbrummt eben …
Mirek hatte bereits die Grenze überschritten, vor der die anderen noch zögerten. Wenn sein Vater aus der Kneipe nach Hause kam, hatte er die Kinder geschlagen, und zwar so heftig, dass sie tagelang die Wohnung nicht verlassen konnten, aus Scham über ihre blauen Flecken. Und eines Abends war der Bogen überspannt, der Vater ließ von den verprügelten Kindern ab und wandte sich der Mama zu, sie zitterte und wich zurück, stolperte über einen Stuhl, der betrunkene Vater warf
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