Mach mal Feuer, Kleine - Roman
sich auf sie, zog sie an den Haaren, schlug ihren Kopf auf den Boden und riss ihr das Nachthemd herunter, die Mama schrie, und Mirek holte aus der Anrichte ein Messer |87| und stach immer wieder auf den Vater ein … In seinem Alter konnte man ihn noch nicht einsperren, er kam nach Kostelec und seine Mama in die geschlossene Anstalt, weil sie seitdem ganze Nächte nur noch geschrien hatte … Andrejko beneidete Mirek um seine Mama, die zwar in der Klapse saß, ihm aber von Zeit zu Zeit schrieb, er möge durchhalten, sie würde ihn eines Tages holen …
Am meisten wurde Andrejko ausgerechnet von den Schwächeren gequält, die noch vor Kurzem selbst als Prügelknaben gedient hatten und jetzt die Chance witterten, eine Stufe höher zu steigen, das lädierte Selbstbewusstsein und die verletzte Seele zu heilen. Wer aufstieg, der musste den anderen nicht mehr die Schuhe putzen oder die Klos schrubben, und nachts, wenn es einen der Älteren überkam, musste er ihm nicht auf die Toilette folgen oder zu ihm unter die Bettdecke schlüpfen und danach noch das Bettlaken säubern, damit morgens nichts zu sehen war …
Andrejko ließ sich lieber zusammenschlagen, als jemandem unter die Decke zu folgen, und so nahm ihn sich fast jeden Abend, wenn das Licht gelöscht war, jemand vor, beutelte ihn und zischte ihm zu, er werde hier nicht lebend rauskommen, manchmal schubste man ihn im Gedränge die Treppe herunter oder stellte ihm ein Bein, wenn er mit dem Essenstablett in der Hand nach einem freien Platz suchte, am ärgsten aber war es abends, wenn sich die Erzieher in ihre Büros zurückgezogen hatten, zu ihren halb leeren Flaschen, die im Regal hinter den Fachbüchern über Jugenderziehung standen, und zu ihren Fernsehern, die sie auf voller Lautstärke laufen ließen, damit ihr Dienst nicht vom Weinen und Schluchzen ihrer Zöglinge gestört wurde …
Andrejko kam von der Toilette zurück und zitterte vor Angst, weil er wusste, dass im Zimmer bereits das Licht aus |88| war und dass man ihm hinter der Tür auflauerte, seine Hand lag schon auf der Klinke, und da drehte er sich um, rannte los und klopfte an die Tür des Erzieherzimmers. Vielleicht würde ihm jemand helfen … Aber die Erzieherin sah ihn kaum an, sagte nur barsch über die Schulter, er solle auf der Stelle zurückgehen, und ließ gleich die älteren Jungs kommen, sie möchten doch für Ordnung auf dem Zimmer sorgen, warum müsse sie sich so spät abends von diesem Zwerg mit so einem Schwachsinn belästigen lassen … Und dann ging alles sehr schnell, im Zimmer warf einer eine Decke über Andrejko, ein anderer riss ihn zu Boden, aus dem schwarzen Nichts tauchten Fäuste auf, und man trat gegen die Decke und schlug auf sie ein, solange sich unter ihr noch etwas rührte … Das nächste Mal überlegst du dir das besser, bevor du petzen gehst, du Arschloch, pressten sie zwischen den Zähnen hervor, obwohl sie schon selbst merkten, dass Andrejko nichts mehr hören konnte, aber er hatte gepetzt, er hatte gegen das Gesetz verstoßen, und dafür musste er büßen.
Doch je mehr er geschlagen wurde, desto mehr zog er sich in sich selbst zurück, tagelang sprach er kein Wort, und wenn er in der Schule den Mund aufmachen sollte, fing er an zu stottern. Das fiel den Jungen sofort auf, das Arschloch stottert, feixten sie, verschränkten die Arme hinter dem Rücken und liefen laut gackernd hin und her, wie Hennen, wenn sie ein Ei gelegt haben. Sie hörten aber auf, Andrejko zu schlagen, es machte ihnen auch keinen Spaß mehr, ihm die Decke überzuwerfen, keiner fasste ihn mehr an, als wäre er aussätzig, als würden sie sich nicht anstecken wollen.
Die Erzieher stellten in ihrem Gutachten fest: Im Kollektiv unbeliebt, lehnt ab, sich einzugliedern und mitzumachen, und damit war für sie die Sache ein für alle Mal erledigt.
|89| In der Anstalt fing Andrejko zwar an, zur Schule zu gehen, aber er lernte dort nicht einmal lesen, weil die Lehrer nur damit beschäftigt waren, für Ruhe zu sorgen, außerdem wechselten sie häufig, das Heim stellte für sie lediglich einen weiteren nutzlosen und verlorenen Posten dar, auf den man zur Strafe versetzt wurde und wo jegliches Bemühen sinnlos war. Die Blagen landen sowieso im Knast, sagten sie verächtlich, nicht mal das Romani kann man aus ihnen herausprügeln … Einmal wurden ihnen Praktikantinnen von der Hochschule geschickt, die Studentinnen schwitzten vor Lampenfieber, sie schrien nicht herum, schlugen
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