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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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er sogar zu trinken, und am Ende wurde |113| er vor Schmerz und Sehnsucht beinah wahnsinnig. Während Demčak erzählte, brachte er Andrejko bei, wie man die Saiten nachzieht und wie man sie stimmt, ein paar Wochen später zeigte er ihm den ersten Doppelgriff und das erste Vibrato, und aus dem Knarzen und Kreischen, das Andrejkos Geige von sich gab, schälten sich allmählich Fetzen von Songs heraus, die Andrejko im Radio gehört hatte, oder von alten Zigeunerliedern, die er noch aus Prag kannte. Seine kleinen Finger gewöhnten sich an das Griffbrett, sie rutschten nicht mehr haltlos über die Saiten, hier und da versuchten sie sich sogar an einem Glissando, das ihm Demčak zwar nicht beigebracht hatte, das Andrejko aber in jedem Lied wahrnahm, denn so fühlte er die Musik und so mussten seine ungeschickten Finger sie auch spielen.
    In den Passagen, in denen ein Gadsche einen geraden Ton gespielt hätte, in denen er die Töne wie Ziegelsteine oder Spielklötze aufeinandergeschichtet hätte, glitt Andrejkos Bogen ganz weich herunter, und der nächste Ton kam um ein Haar früher oder später als in den Noten verzeichnet. Die Verzögerung war kaum spürbar, sie betrug nur den Bruchteil einer Sekunde, und doch veränderte sie alles: Der Rhythmus geriet ins Stolpern, aber nicht wie ein alter und lahmer Wallach, der zur Futterkrippe hinkt, sondern wie ein junger Hengst, der zum ersten Mal über eine Wiese galoppiert   … So macht man das bei uns, so geht
romane giľa
, verkündete Andrejko stolz. Als Demčak endlich verstanden hatte, dass sich der Kleine nicht mal die paar Noten merken konnte, die er ihm einzubläuen versuchte, klopfte er Andrejko anerkennend auf die Schulter: Richtig, was sollst du auch mit Noten, entweder hörst du was oder nicht, und du hörst was, also brauchst du keine Noten, rief er und winkte ab, deine Leute haben nie geübt, auch Lavička nicht, und schon sprudelte |114| es wieder aus ihm heraus: Für die Dunkas, die ja ganz gewöhnliche
degesi
-Musiker waren, war der alte Lavička ein Halbgott, weil der, der spielte ja selbst eigentlich gar nicht, auch seine Finger nicht, die berührten nur ganz leicht die Saiten, aber sie verströmten eine sonderbare Kraft, die direkt hineinfloss in die weit geöffneten und schmerzenden Herzen der Dunkas, dieser großen Kinder   … Als Lavička einmal bei einer Dunka-Hochzeit gespielt hatte, da wollten sie ihn gar nicht nach Hause gehen lassen, am Ende trugen sie ihn bis zur Landstraße und küssten ihm die Hände, weil sie mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hatten, wie diese Finger die ganze Nacht lang einen unendlichen Fluss der Freude und des Kummers verströmt hatten, einen Fluss, der sich irgendwo tief in seinem Inneren aufgestaut hatte und nun herausmusste, und seit jenem Abend grüßten die Dunkas sogar den Demčak, nicht weil er ein Gadsche war, sondern weil er zusammen mit Zoltán Lavička spielte   …
    Die Dunkas waren nicht einmal eine richtige Band, die in bestickten Westen und weißen Hemden mit Puffärmeln in Kaffeehäusern auftrat, so wie die Zigeunerkapellen in der guten alten Zeit, mit Geldscheinen, die ihnen unter die Saiten und in die Zimbeln gesteckt oder auf die Stirn geklebt worden waren. Sie spielten in Kneipen, und ihre beiden ramponierten Fiedeln, der allmählich aus dem Leim gehende Kontrabass und die Milchkannen, auf die sie mit den Handballen einen unregelmäßigen und wilden Rhythmus trommelten, brachten dem Wirt jeden Samstag einen zusätzlichen Gewinn ein, aber ihre Stärke, ihre Kraft lag nicht in den Fingern wie bei Lavička. Es waren ihre krächzenden und vom Alkohol ruinierten Stimmen, die sie von ihrem Schmerz und ihrer Freude befreiten und die es einem kalt den Rücken herunterrieseln ließ. Sie hielten die Fiedel nicht mal unterm Kinn wie |115| richtige Musiker, sondern drückten sie beim Spielen direkt ans Herz, denn dort war die Quelle ihrer Musik.
    Der Winter neigte sich dem Ende zu, und als der Frühling kam, brachte Juraj immer wieder Männer aus der Schenke mit nach Hause, den Paľo Jasenčák und den Förster Mihalič. Die Männer lachten, kippten ein Glas
horilka
nach dem anderen und schlugen Andrejko auf den Rücken, bis er husten musste: Ej, du Geigenspieler!   … Wie heißt das hier?, wollten sie wissen   …
aj, lavutáris
… gut spielt der, brummten sie, und Paľo stand auf und blieb eine Weile am Fenster stehen. Sieh mal dort, sagte er zu Andrejko, der Widder, so wie der die

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