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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Hörner über den Boden schleift, so musst du spielen. Wie wenn im Rauchfang der Ruß hochsteigt oder ein Heuschober Feuer fängt.
    Aber Andrejko verstand nicht so recht, was Paľo meinte.
     
    Juraj war der erste Gadsche, der ihm, ohne viele Worte zu machen, die Hand gereicht hatte, und Andrejko fühlte, dass er etwas sagen musste, er spürte, wie etwas aus seinem Inneren herausdrängte, etwas, das nicht herauskonnte, und als er eines Tages hinterm Haus in den Brennnesseln ein paar Hennen entdeckte, leuchteten seine Augen auf, und er machte einen Satz nach vorn, wie ein Torwart warf er sich auf den Boden, aber die Henne entschlüpfte ihm und die anderen stoben erschrocken gackernd auseinander. Andrejkos Gesicht war zerkratzt, seine Hände von Brennnesseln verbrannt, trotzdem ließ er nicht locker, bis er eine von den Hennen gefangen hatte. Aber Juraj sah, dass sie Jankura, seinem Nachbarn, gehörte, und dass ein Flügel gebrochen war, und er schimpfte mit Andrejko: Um Gottes willen, was tust du da   … Merk dir eins: Wo du nichts hingelegt hast, brauchst du nichts anzufassen!   … Und schon wollte er die Henne zu |116| Jankura zurückbringen, aber noch im Hof überlegte er es sich anders und bog in den Schuppen ab, in dem der Holzblock stand. In letzter Zeit wimmelt’s hier nur so von Mardern und Füchsen, murmelte er, als er den gerupften und ausgenommenen Vogel in den Topf legte.
    Geschieht dem ganz recht, schon wegen meinem Hahn, fiel Juraj ein. Im letzten Herbst, als Jankura seinen Garten winterfest gemacht und einen Haufen altes Laub, fauliges Heu und abgesägte Äste angezündet hatte, flatterte nach einer Weile Jurajs Hahn mit brennendem Gefieder aus dem Haufen heraus, Jankura wollte noch schnell die Flammen mit dem Spaten ausschlagen, aber er traf dabei den Gockel so unglücklich, dass der nur noch kurz mit den Beinen zuckte und tot liegen blieb   … Gnade dir Gott, wenn du was sagst, schärfte Juraj Andrejko ein, diesmal aber mit viel freundlicherer Stimme und einem verschwörerischen Blinzeln.
    ***
    In Juraj Bielčiks Küche hing eine alte Wanduhr mit einem Messingpendel. Eines Nachts blieb die Uhr stehen, und im Raum wurde es so still, dass Andrejko davon aufwachte. Erschrocken richtete er sich in seinem Bett auf. Über dem Tisch schaukelte die Glühbirne und in ihrem Licht saß Juraj, schnitt Speck in kleine Stücke und spießte sie mit der Messerspitze auf. Dazu aß er Brot   – wie immer, wenn er nachts aus der Schenke kam und am nächsten Tag keine Kopfschmerzen haben wollte. Alles war auf seinem Platz, nur die Stille schrie vor sich hin, der kleine Zeiger zeigte auf zwei, beide Gewichte waren oben und das Pendel hing schlaff herunter.
    Hast du Zähne, hast kein Brot, und hast du Brot, hast keine Zähne nicht, sinnierte Juraj vor sich hin, und als er merkte, |117| dass der Junge wach war, fügte er hinzu: Da hat Gott der Herr jemanden zu sich gerufen   … Schlaf weiter, Andrejko.
    Als Juraj mit dem Essen fertig war, fragte Andrejko mit erstickter Stimme: Wo ist Gott, Väterchen Bielčik?
    Juraj dachte eine Weile nach, dann aber zuckte er mit den Schultern: Ach, mein Sohn   … Gott ist groß und barmherzig, was weiß denn ich   … hier oder da, Juraj deutete mit dem Finger nach oben, denk nicht drüber nach und schlaf   …
    Die stehen gebliebene Uhr setzte er erst am nächsten Tag wieder in Gang. Dabei bemerkte er, dass am Kalender immer noch das Blatt vom Vortag mit der großen Vierundzwanzig und den etwas kleiner gedruckten tschechisch-slowakischen Bezeichnungen Donnerstag und Juli hing, und er riss es mit solcher Bitterkeit heraus, als hätte er damit diesen Tag auch aus seinem Leben gerissen, ihn ausradiert, als hätte er einen neuen Nagel in seinen Sarg geschlagen   … Die Pendeluhr tickte und maß die Zeit, und Juraj wollte nicht aus dem Kopf, dass in der Nacht keiner aus dem Dorf gestorben war, aber lange dachte er nicht darüber nach. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.
     
    Der Sommer war zu Ende, auch der Herbst zog allmählich vorüber. Im Tal löste sich der Nebel immer später auf, manchmal erst am Abend, wenn es dem Wind nicht rechtzeitig gelang, ihn auseinanderzupusten. Aber es gab Tage, an denen die Sonne die morgendliche Kälte vertrieb, und die Ahorn- und Buchenhänge des Kyčera, in ihre goldenen und purpurroten Mäntel gehüllt, tauchten aus dem Nebel auf, die schlanken Tannen glitzerten wie silberne Adern in einem dunklen Stoff, und die

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