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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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  … Und jetzt mach zu, beeil dich   …

|187| 15.
    Am nächsten Morgen trat Andrejko seine Arbeit im Gärkeller an. Anfangs war er Mädchen für alles, er rührte die Hefe um, damit sie sich gut verteilte, scheuerte die Flure mit Schmierseife und holte für die Kollegen Bier aus dem Keller. Manchmal ließ man ihn die Kühlschiffe putzen, riesige Blechwannen direkt unter dem Dach, in denen die frisch gekochte Bierwürze abkühlte, und nach ein paar Wochen vertraute man ihm drei lange Gänge mit mehreren Reihen von Bottichen an, in denen das Bier gärte. Morgens schöpfte er den Gärschaum ab, und wenn das Bier in den Lagerkeller geschlaucht wurde, schrubbte er die Bottiche und die Kühlungsrohre mit Säure. Selbst wenn er Gummistiefel, Mantel und Handschuhe trug, juckte ihn noch abends der ganze Körper, und sein Blaumann zerbröselte, als wäre er aus Papier.
    In den Pausen trafen sich die Brauereiarbeiter in ihren wattierten Jacken am Fahrstuhl, mit dem sie gleich zu Beginn der Schicht ein paar Fässer mit bestem Prazdroj aus dem Keller geholt hatten. Das Bier tranken sie aus einem blechernen Maßkrug, den sie vorher mit warmem Wasser ausgespült hatten, denn im Gärkeller herrschte eisige Kälte. Auch Andrejko spürte diese Kälte in sich aufsteigen, er vermisste die Sonne, und wann immer er konnte, rannte er für ein paar Minuten in den Hof, um sich dort zu wärmen und von den Sonnenstrahlen |188| streicheln zu lassen   … Nach der Schicht fuhr er zu Marketa an den Stausee, und nach Hause kam er erst spät abends, manchmal sogar erst gegen Morgen. Dann ging er direkt zur Arbeit, die acht Stunden musste er irgendwie herumbringen, und wenn es ganz schlimm war, konnte er sich in der Pause irgendwo verkriechen und ein Nickerchen machen. Die Männer lachten über seine müden Augen, aber wenn Andrejko der Kopf auf die Brust fiel, schickten sie ihn von selbst weg, sie würden ihm schon Bescheid sagen, wenn es wieder losgehe. Geschenkt haben sie ihm jedoch nichts, seinen Teil musste er schon abarbeiten. Manchmal rächte sich die durchwachte Nacht bitter, es reichte eine Sekunde Unachtsamkeit beim Schlauchen, und schon war ein Gummistiefel voll mit Säure und ließ sich nicht vom brennenden Fuß streifen.
    Das bittere Bier, das die Männer aus dem Keller holten, war höllisch lecker, und Andrejko kam sehr schnell auf den Geschmack. Als er zum ersten Mal ein volles Glas in der Hand hielt, fiel ihm auf, dass selbst der finsterste Tag golden wurde, wenn man ihn durch das Glas betrachtete, als würde die Sonne ihn zum Leuchten bringen, und die Männer klopften ihm auf den Rücken, so hätten sie das noch nie gesehen, und dann sahen sie ihn durch das Glas an und lachten, sie hätten nie gedacht, dass auch normale Zigeuner golden aussehen könnten, und er stimmte in ihr Lachen ein, weil er wusste, dass sie es nicht böse meinten, dass sie sich nicht an seinen pechschwarzen Haaren und Augen und seinen dunklen Wangen störten, dass das Wort Zigeuner für sie kein Schimpfwort war.
    Vielleicht lag es an den zahlreichen Hektolitern Bier, die die Männer täglich zu sich nahmen, vielleicht daran, dass sich im Gärhaus keiner unsichtbar machen konnte, jeder hatte seine Arbeit und musste seinen Bereich im Griff behalten   – |189| in der Brauerei gab es keine Stechuhren wie in den anderen Fabriken   –, schon bald jedenfalls fühlte sich Andrejko als einer von ihnen. Nur in einem blieb er hinter den Männern zurück: in ihrem Bierkonsum. Während einer Schicht schafften sie locker zwanzig, dreißig, manchmal sogar fünfzig Maß, anfangs wollte er es gar nicht glauben, aber sie lachten nur, das Bier sei ihr Brot, zu Hause würden sie gar nicht mehr essen, da sie hier so schön trinken könnten, sie würden nicht einmal Urlaub nehmen, denn wollten sie im Urlaub so viel Bier trinken, wie sie von der Arbeit her gewohnt waren, müssten sie ein ganzes Jahr sparen. Nach zwanzig Jahren in der Brauerei würde auch Andrejko eine ordentliche Wampe haben, sagten sie und tätschelten zufrieden ihre fassrunden Bäuche, das würde er schon schaffen, Durst genug würde er schon haben, trüge doch seine Stadt, die alte Königsstadt Pilsen, ein durstiges weißes Kamel im Wappen   …
    Aber Andrejko trank seine drei, vier Biere und hatte genug, nach Schichtende musste er sich an den Mauern abstützen.
    Der Meister war ein knurriger Kauz. Mehrmals täglich wanderte er mit einer Kerze in der Hand durch den Gärkeller, wegen des Kohlendioxids,

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