Mach mal Feuer, Kleine - Roman
… und Andrejko beugte sich vor und schützte seinen Bauch, sie beschimpften und schlugen ihn, sie wollten gar nicht hören, was er wirklich zu sagen hatte.
Sie schwärmten um ihn herum wie wild gewordene Wespen. Sie hatten einen Fall, einen klaren und wichtigen Fall, sie hielten Andrejko fest, schlugen ihre Zähne in ihn hinein wie eine Meute hungriger Hunde, es ging auch um ihren Chef, um Prämien und vielleicht auch um Beförderung, aber Andrejko war schon vollkommen abgestumpft, er schloss die Augen und schwieg, er wollte nicht mehr reden, er spürte auch keinen Schmerz mehr, weil er sich schon woanders befand, weit weg auf einer blühenden Wiese, im warmen Sand unter den nach Harz duftenden Kronen hundertjähriger Kiefern, er weilte in der Nähe von Marketas leuchtendem Haar, und während immer schlimmere Schimpfworte auf ihn niederprasselten und harte Polizistenfäuste wütend auf seinen Bauch einschlugen, spürte Andrejko die Sonne im Gesicht.
|195| Als er aufwachte, tat sein Kopf weh, als würde er gleich in tausend Stücke zerspringen, wilde Bienen schwärmten darin, und im Mund spürte er den widerlichen Geschmack von Erbrochenem. Seine Arme und sein Rücken taten ihm so weh, dass er Angst hatte, sich zu rühren, um nicht auseinanderzufallen. Erst nach einer Weile versuchte er, die Augen zu öffnen. Eine schmale dunkle Zelle, eine graue Blechtür mit einem Guckloch, ein kleines Fenster und unter der Decke eine schwache Glühbirne, mit Fliegendreck verklebt … Andrejko schloss die Augen und sah die fette Sozialarbeiterin mit dem Mehrfachkinn vor sich, wie sie ihr geschminktes Gesicht verzog und ihn mit ihrer verletzten Hand in das schlimmste Heim auf Erden schickte. Er versuchte, sich aufzusetzen oder wenigstens auf die andere Seite zu drehen, aber ein furchtbarer Schmerz durchfuhr ihn, er krümmte sich und wurde erneut von barmherziger Dunkelheit verschluckt.
Sie holten ihn alle zwei Stunden ab, damit er nicht zum Schlafen kam, damit sie ihn endlich brechen konnten, sie hatten es auch im Guten versucht, aber er antwortete nicht mehr, er hatte sich in seiner Welt eingeschlossen, die Tür zugemacht und ließ keinen mehr hinein. In der folgenden Nacht brachten sie ihn in die Leichenkammer, dort stellten sie ihn vor den kalten und wächsernen Körper und zwangen ihn, die schwarze Wunde zu berühren. Andrejko fing an zu zittern und brach auf dem gefliesten Boden zusammen. Erst da war die Geduld der Ermittler erschöpft. Zurück im Gefängnis schlugen sie ihn ein letztes Mal zusammen, mit den Fäusten in den Bauch und mit einem Gummischlauch auf die Beine, damit es wehtat, aber keine blauen Flecken hinterließ, und am nächsten Morgen brachten sie ihn ans andere Ende der Stadt, in Untersuchungshaft nach Bory.
Dort konnte sich Andrejko ein wenig ausruhen. Für die |196| Aufseher war er kein Fall mehr, sondern eine Nummer, eine von vielen sogar, und vielleicht haben sie ihn deswegen auch gleich kahl rasiert, wie damals in Kostelec, vielleicht, um Läusen vorzubeugen, vielleicht, damit er unter den anderen nicht so auffiel. In der Anstalt wurde man zur Strafe kahl geschoren, hier lief jeder so herum …
In Bory gab es keine Prügel mehr. Aber in der Nacht kam Leben in Andrejkos geschundenen Körper, er tat weh, und als Andrejko gegen Morgen endlich eingeschlafen war, da knallten auch schon die Türen, und die Schreie der Aufseher und der ohrenbetäubend schrille Ton ihrer Trillerpfeifen rüttelten die Insassen unsanft aus dem Schlaf. Alle sprangen hoch und standen stramm, damit sie bloß nicht im Liegen auf der Pritsche erwischt wurden, denn dafür gab es Strafe. In Bory musste man den ganzen Tag entweder stehen oder gehen, vom Guckloch zum Fenster, fünf Schritte hin und fünf Schritte zurück, man durfte sich nicht einmal kurz hinsetzen, so dass sie sich manchmal fast auf das Verhör freuten, weil sie dort einen Stuhl bekamen, manchmal wurde ihnen sogar eine Zigarette angeboten – die allerdings nicht aus Mitleid, sondern damit sie besser sangen … Mittags leckten sie die Reste der wässrigen Suppe aus ihrem Blechnapf, und mit denselben Händen, in denen sie zuvor das Essgeschirr gehalten hatten, rissen sie über dem Loch in der Ecke die Zeitung in Stücke und rieben sich damit den Hintern wund; die muffige Zelle stank nach vergorenem Sauerkraut, und das kleine Fenster mit dem Gitter davor führte nicht nach draußen, sondern in einen dunklen Lichtschacht, und es ließ sich nicht öffnen,
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