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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Geschehen in der Welt interessiert, die Pfleger schnitten gleich morgens die Tageszeitung in kleine Stücke und verteilten sie auf den Toiletten, aber jetzt wollte jeder die Zeitung lesen, und auf der Toilette wurden zerschnittene Bücher oder Tagesberichte der Schwester benutzt, je nachdem, was gerade zur Hand war.
    Die jungen Männer, die sich vor dem Militärdienst nach Dobřany geflüchtet hatten, gingen heim. Gregory gab Andrejko einen Klaps auf den Rücken und deutete zum Fenster: Gestern waren lauter Laster mit Stacheldraht beladen unterwegs, ganze Ladeflächen voll mit rostigem Draht   … die Grenze ist weg, also kann ich gehen   …
    Am Abend verschwand Vašek, nicht einmal Tschüss hatte er gesagt, er wollte nur kurz im »Blauen Stern« einkehren, ein bisschen frische Luft schnappen, und kam nicht mehr zurück   … Die übrigen Patienten hockten ganze Tage vor dem Fernseher, und Andrejko hatte keinen, mit dem er reden konnte, er lag auf dem Bett und starrte an die Decke, oder er bummelte durch die Flure und schlug so die Zeit tot.
    Als Weihnachten vorbei war und ein neues Jahr angefangen hatte, brachte man Andrejko wieder vor Gericht, erneut sah er den weißen Löwen und den fünfzackigen Stern an der Wand. Über den Richtern hing das Bild des neuen Staatspräsidenten, und die Herren im Talar sprachen eine ganz andere Sprache, der Mord hieß auf einmal Selbstverteidigung, und die Zeugenaussagen sollten manipuliert gewesen sein. Andrejko verstand nicht, was für ein Spiel gespielt wurde, die grauen, von bunten Krawatten unterstrichenen Gesichter im Saal waren doch die gleichen, die ihn noch gestern am liebsten am nächstbesten Baum aufgehängt hätten, aber er spürte durchaus, dass sich etwas veränderte, dass etwas in die Brüche ging, dass die Männer aus der Brauerei und seine Zimmergenossen, |221| Vašek und Gregory, der seit Jahren darauf gehofft hatte, mit verrostetem Stacheldraht beladene Lastwagen zu sehen, dass sie alle recht gehabt hatten   …
    Ein paar Tage später wurde Andrejko ins Geschäftszimmer bestellt und erhielt dort seine Sachen zurück, sogar das schwarz angelaufene Kreuz von seiner Mama war dabei, die Ärztin wünschte ihm viel Glück, begleitete ihn nach draußen, reichte ihm die Hand und zeigte ihm, wo die Bushaltestelle war.
    Andrejko holte tief Luft. Endlich war er auf freiem Fuß, aber Freude wollte sich nicht einstellen, vielmehr fühlte er sich ratlos und verängstigt. Er fürchtete sich vor dem weiten Feld, das von keinem Zaun begrenzt war, vor den Menschen, die an ihm vorbeiliefen, vor dem offenen Himmel, von dem ihn kein Fensterrahmen oder Gitter trennte, er hatte Angst, sich für einen Weg zu entscheiden, es gab so viele Wege   … Er wollte nicht mehr gesund sein, er wollte zurück hinter Gitter, unter die Aufsicht der bebrillten Frau Doktor, zu seinen Zimmernachbarn, die in die Zukunft sehen konnten und deswegen in der Klapse Zuflucht gesucht hatten.
    Plötzlich übermannte ihn eine solche Sehnsucht und ein solcher Kummer darüber, dass er alle, die er lieb gewonnen hatte, nie wieder zu Gesicht bekommen würde, dass er auf die Station zurückging und die Pfleger bat, wenigstens noch ein paar Tage bleiben zu dürfen   …
    Die Welt da draußen hatte er ja längst aufgegeben, er hatte Tonnen von Medikamenten geschluckt und alle Brücken hinter sich abgebrochen, und jetzt sollte er auf einmal entscheiden, ob er links oder rechts laufen möchte, ob er die Straße überqueren sollte oder nicht, er musste selbst das Geld aus der Tasche ziehen und es dem Busfahrer reichen, und nach dem Weg fragen musste er auch allein.

|222| 17.
    Im Bus kauerte sich Andrejko auf dem Sitz zusammen, hielt das Kreuz seiner Mama fest umklammert und fühlte sich unwohl. Die ungewohnte Kleidung war zu eng und juckte: der Blaumann und die karierte Jacke, die er bei seiner Verhaftung getragen hatte und die immer noch nach Würze, Hefe und Säure muffelten.
    Dann stand er inmitten der Petrohrader Häuser mit ihren bröckelnden Fassaden, stolperte über die Steinplatten, mit denen die Gehwege gepflastert waren, und ihm schien, als wäre er erst gestern hier entlanggegangen: In den Kneipen und Spelunken summte es wie in einem Bienenstock, die Ventilatoren trugen das Klirren der Halblitergläser, den Zigarettenrauch und den Geruch nach fettigem Bauchfleisch, Knödeln und Kraut nach draußen, im Laden um die Ecke hing immer noch dasselbe schmuddelige Blechrollo vor dem Schaufenster, und auch die

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