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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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deinem Weg nicht zufrieden bist, wenn du anderswohin willst   … oder wenn du wie Petr nicht weiterkannst, Vašek zeigte auf das leere Bett, keiner hat das Recht   …
    Ein paar Tage später brachte Vašek eine Rolle Frühstückspapier, das er den Köchinnen abgeluchst hatte, und sie verbrachten den ganzen Sonntag damit, es in schmale Streifen zu schneiden, die sie dann zusammenklebten, als setzten sie aus einer zerschnittenen Orangenschale eine neue Frucht zusammen, zum Schluss befestigten sie Fäden daran und als Körbchen eine leere Metalldose, und abends, als es dunkel und kühler wurde, setzten sie im Körbchen einen Grillanzünder in Brand, die warme Luft stieg in den Ballon, und er wurde immer größer und leichter, und als sie ihn zum Fenster trugen, glitt er ihnen aus den Händen und segelte langsam empor, wie ein Riesenlampion gondelte er über den Baumkronen, der Wind trug ihn über den Zaun und dann weiter und weiter, hinaus über die Felder.
     
    Von Zeit zu Zeit bekam Andrejko Besuch von den Kindern, von Anetka, die es in der Schule schwer hatte, weil sie immer für alles büßen musste, und von Tibor, der in seiner Hosentasche ein kleines Klappmesser stecken hatte. Er führte Andrejko seine Judogriffe vor und brüstete sich damit, dass er sich von keinem in die Enge treiben lassen würde. Den Ärzten war sofort klar, dass die beiden jene Brücke waren, über die Andrejko in sein Leben zurückfinden würde, und wenn er sich wieder in einer Depression verlor und weder essen noch sprechen wollte, sich für Stunden, manchmal ganze Tage in |216| seine eigene Welt flüchtete, verschrieben sie ihm keine zusätzlichen Medikamente, sondern warteten, dass Anetka und Tibor wieder auftauchten.
    Für Andrejkos Zimmer war eine ältere Ärztin zuständig, eine mollige Dame mit einer Brille, die ihr ständig auf die Nasenspitze rutschte. Als sich in Andrejko wieder einmal eine Spannung aufgebaut hatte und er sich keinen Rat wusste, ging er zu ihr und erzählte ihr alles, in einem endlosen Satz sprudelte er hervor, dass Marketa, seine Sonne mit strohblondem Haar, immer wieder in seinen Träumen vorkomme, sie habe immer das Kindchen dabei, das nicht geboren werden durfte, das in einem Krankenhausofen gelandet sei, in einem Sack mit blutigen Verbänden, amputierten Beinen und Injektionsspritzen, jede Nacht höre er, Andrejko, es wimmern und weinen   … Andrejko war selbst überrascht, welche Erleichterung ihm seine Beichte brachte, er fasste sich an den Kopf, der sich endlich nicht mehr anfühlte, als würde er gleich explodieren, und die Frau Doktor tätschelte ihm sanft die Wange, als wäre er ein großes Kind.
    Andrejko hatte keine Wahl. Entweder er war krank und er blieb in Dobřany, oder er war gesund und würde am nächsten Tag zurück in den Knast gebracht   … Immer wieder klang ihm die Stimme von Tante Ida in den Ohren:
Miro than odoj, kaj mange mištes   …
Mein Platz ist dort, wo es mir gut geht   … Er dachte nicht mehr daran, dass er über die Mauer klettern und fliehen könnte, er vergaß die Wildgänse, die gen Süden zogen, die Pferde mit wehender Mähne und Jurajs Schafe, er vergaß, wie verlockend eine Sommernacht duftete, denn hier, hinter den vergitterten Fenstern und unter der Aufsicht der bebrillten Frau Doktor, hier ging es ihm gut   …
    Von wegen gut, beschissen geht es dir, sagte Vašek barsch. Bloß siehst du von hier aus den Zaun nicht, genauso wie die |217| da draußen wiederum die Zäune und Drähte nicht sehen, die um sie herum gezogen wurden, auch die sind eingesperrt, genauso wie wir hier in der Klapse, aber sie haben sich einreden lassen, dass nicht sie eingelocht sind, sondern die auf der anderen Seite   … Wie ein dummer Köter, der an seine Hundehütte gekettet ist und nie mitkriegt, dass es auf der Welt auch noch andere Hundehütten gibt und Straßen, und dass es sogar Hunde ohne Hütten gibt und manchmal auch Hunde ohne Herrchen. Aber solange ihre Schüsseln voll sind, fressen sie und scheißen und marschieren bei den Umzügen mit und halten die Fresse, darauf kommt es vor allem an, das verlangt man von ihnen, das ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen   … Dabei überführen sie sich selbst der Lüge und prahlen, wie gut sie sich auf dem Spielfeld machen, aber ihre einzige Sorge besteht darin, das Trikot nicht durchzuschwitzen, und das Spiel, das geben sie an jemand anderen ab. Und wenn die Obrigkeit vorbeifährt, verneigen sie sich tief und brüsten sich dann,

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