Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Schlosserei im Innenhof und der Papierladen, in dem er sich einst versteckt hatte, waren noch da, auf dem Metallgeländer vor dem Kino hockten Jugendliche und riefen den Mädchen hinterher, und die Linden auf der Straße trieben erste Knospen aus. Mit dem Frühling kehrte das Leben in die Petrohrader Straßen zurück, aber Andrejko fehlte etwas, etwas war verschwunden, seine Marketa war nicht mehr da, und ohne seine Sonne war jeder Frühling grau und leer.
|223| Die Kinder waren noch in der Schule, Ida öffnete ihm die Tür, und Andrejko hätte sie beinahe nicht erkannt, so verändert sah sie aus, unter ihren Augen waren Falten und Tränensäcke, ihre weichen Brüste hingen traurig herunter wie überreife und vertrocknete Trauben, die man auf dem Weinberg vergessen hatte …
Andrejko saß am Tisch und wärmte sich die Hände an einem Becher mit Tee.
Dann quietschte die Wohnungstür. Andrejkos Cousin Imro … Sie hatten sich zuletzt gesehen, kurz bevor Andrejko ins Heim gekommen war, das war schon lange her.
Freigelassen … Havel, die Amnestie, gab Ida an, viele unserer Leute hat man gehen lassen … Andrejko lief es kalt den Rücken hinunter, er hätte Imro am liebsten aus seinem Leben ausradiert, genauso wie Marián und Onkel Štefan.
Marián ist auch raus, der muss aber noch seinen Kram holen, sagte Ida, als sie Andrejkos fragenden Blick bemerkte, und Andrejko ballte unter dem Tisch die Hände zu Fäusten.
Imro prahlte mit seiner neuen Tätowierung, er führte Andrejko vor, wie die Tusse auf seinem Arm die Beine breit machen konnte, und kuck mal, sagte er, wenn ich die Muskeln anspanne, sieht ihre Fotze wie ’n offenes Kuhmaul aus …
Andrejko wunderte sich, warum sein Cousin so nett zu ihm war, obwohl er ihn früher nicht hatte ausstehen können, aber Imro tätschelte seinen Rücken und sagte, gemeinsam würden sie tolle Dinger drehen. Erst nach einer Weile begriff Andrejko, dass Imro von seiner Aktion mit dem Küchenmesser geblendet war, vom Gadsche-Blut, das auf den Bürgersteig geflossen war. Auch die Art, wie sich Andrejko geschickt aus dem Knast in die Klapse hineinmanövriert hatte, wusste Imro zu schätzen.
Abends tauchte der kleine Milan auf. Er zog eine Tafel |224| Schokolade und zwei Zigarettenschachteln aus der Tasche, legte alles auf den Tisch und setzte sich auf den freien Stuhl.
Nicht gerade viel … Imro rümpfte die Nase, schob Andrejko eine Schachtel hin, öffnete die andere und steckte sich eine Zigarette an.
Milan warf die Arme auseinander: Die hätten mich fast gekriegt, ich musste abhauen … Er zuckte mit den Schultern, zog aus der angebrochenen Schachtel eine Zigarette, und in der Küche konnte man bald vor Rauch kaum noch die eigene Nasenspitze erkennen.
Andrejko sah sich um. Draußen war es schon dunkel, aber Anetka und Tibor waren noch nicht zu Hause.
Die trödeln wieder irgendwo rum, sagte Imro, als er Andrejkos Blick bemerkte, und erzählte von seiner neuesten Idee: Er schickt Tibor zum Marktplatz, der lungert dort zwischen den geparkten Autos herum und schnorrt,
ajn mark, bite, cvaj mark
, und wie zufällig spielt er dabei mit einem Stein, da öffnen die Germanen gerne ihre dicken Geldbörsen und Brieftaschen, eine neue Lackierung würde sie weit mehr kosten als Tibors
ajn mark cvaj mark
…
Andrejko stand auf, er müsse sich kurz die Beine vertreten. Erleichtert schloss er die Tür hinter sich, wäre er noch länger in der Wohnung geblieben, er wäre erstickt … Als draußen neben der Mülltonne ein Schatten in Bewegung geriet und ihm an den Hals sprang, schreckte Andrejko zusammen, aber dann erkannte er Tibor, den jüngsten seiner Brüder.
Ein paar Tage später tauchte auch Marián wieder auf, aber da wussten die beiden Cousins schon, dass sie mit Andrejko nicht das große Los gezogen hatten; obwohl er mit dem Messer auf einen Gadsche losgegangen war, ist er ein Waschlappen |225| geblieben, der sich schon bei einem lauten Wort in die Hose macht, außerdem war er dumm und merkte nicht einmal, dass eine neue Zeit angebrochen war und hinter jeder Ecke massenhaft neue Chancen lauerten …
Sie wiederum folgten diesen neuen Möglichkeiten gierig wie hungrige Hunde dem Geruch nach Fleisch. Vormittags schliefen sie aus, und abends gingen sie weg, um erst gegen Morgen zurückzukommen, oder sie blieben zu Hause hocken und scheuchten die verschlafenen Kinder aus dem Bett, damit sie das Essen auftrügen, und schrien sie an. Aber nicht so, wie
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