Mach mich Glücklich!
Sie? Leben Ihre Eltern noch?«
»Oh, ja.« Sie lachte. »Und wie!« Einen Moment lang war sie versucht, es dabei zu belassen, um zu sehen, ob er genug Interesse hatte, sie nach weiteren Einzelheiten zu fragen, aber dann entschied sie sich dagegen. Nachdem er fast zweihundert Meilen kein Wort gesagt hatte, standen die Chancen, dass er plötzlich Details aus ihrem Leben wissen wollte, wohl nicht besonders gut. Ihm schien es offensichtlich kein Problem zu bereiten, den Tag schweigend zu verbringen.
Was sie von sich nicht behaupten konnte. Die letzten Stunden hatten sie fast zur Verzweiflung getrieben. »Meine Familie scheint das glatte Gegenteil von ihrer zu sein, auf jeden Fall, was das Milieu angeht. Meine Eltern haben geheiratet, als sie beide gerade mal siebzehn waren, und mussten die Schule abbrechen.«
Er wandte seinen Blick nicht von der Straße. »War Ihre Mutter damals mit Ihnen schwanger?«, fragte er. »Oder mussten sie wegen eines älteren Geschwisters heiraten?«
»Nein, ich war der Grund. Ich wurde, wie sie mir erzählten, auf der Rückbank eines 62er Buick im Autokino eines winzigen Kaffs in Idaho gezeugt, von dem Sie garantiert noch nie etwas gehört haben.«
»Und wie waren sie als Eltern?« Er wandte seine Augen lange genug von der Straße, um sie kurz zu mustern. »Oder vielmehr, wie war Ihre Mutter?«
Sie sah ihn überrascht an. »Ich bin bei beiden Eltern aufgewachsen.«
»Sie sind immer noch verheiratet? Widerspricht das nicht jeder statistischen Wahrscheinlichkeit bei Paaren, die so jung geheiratet haben?«
»Nun, da haben die Statistiker meine Familie nicht kennen gelernt. Bis ich anfing, mich um ihre Finanzen zu kümmern, konnten sie nie mehr als ein paar Cent zusammenhalten, aber geliebt haben sie einander immer.« Sie bemerkte, dass Zach seine Augen gen Himmel verdrehte. »Das soll nicht heißen, sie hätten sich niemals so angebrüllt, dass die Wände wackelten. Aber eine Scheidung stand nie zur Debatte.«
Als er dieses Mal die Augen von der Straße wandte, bedachte er sie mit einem Blick, den sie nicht einmal ansatzweise zu deuten vermochte. »Dann hatten sie also eine behütete Kindheit in einem hübschen Häuschen?«
Lily konnte nichts dagegen tun - mit zurückgelegtem Kopf prustete sie laut los. »Tut mir Leid«, sagte sie, als sie sich wieder gefasst hatte und seine Verwirrung sah, »ich lache nicht über Sie. Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, als zu behaupten, ich hätte eine behütete Kindheit in einem Häuschen gehabt. Meine Eltern führten ein vollkommen rastloses Dasein. Wir zogen von Stadt zu Stadt. Meistens einmal, oft aber auch zwei- oder sogar dreimal im Jahr. Es war mein größter Wunsch, behütet in einem Häuschen zu leben.« Sie verzog das Gesicht. »Aber der wurde mir leider nicht erfüllt.«
»Hm.« Er verfiel in Schweigen, und seine Augen blickten konzentriert auf die Straße, während er einen Sattelschlepper überholte. Der Verkehr auf der Interstate nahm zu, je weiter sie sich Salem näherten, und Zach wollte offensichtlich nicht nur durchkommen, sondern schnell durchkommen.
Lily sah immer wieder zu ihm hinüber und fragte sich, was er wohl dachte, abgesehen davon, dass ihm die Geschwindigkeitsbegrenzung von neunzig Kilometer pro Stunde in Oregon eindeutig nicht passte. Sie hielten ein paar Mal an, damit sie aufs Klo gehen konnte oder um sich etwas zu essen zu besorgen, aber Zachs wachsende Ungeduld war deutlich spürbar. Erstaunlicherweise ärgerte Lily seine Unruhe nicht, sondern weckte vielmehr das Bedürfnis in ihr, ihre Hand auszustrecken und ihm beruhigend übers Knie zu streicheln. Sie konnte ihm hin und wieder ein paar kurze Worte entlocken, aber das war ungefähr so mühsam, wie Fussel von einem Mohairpulli zu entfernen.
Nachdem sie die Grenze zwischen Oregon und Washington überquert hatten, fuhr er die erste Tankstelle an. »Hier.« Er drückte ihr ein paar Geldscheine in die Hand. »Holen Sie uns was zu essen. Ich werde inzwischen tanken, nachdem wir endlich in einem Staat sind, in dem man den Zapfhahn selbst bedienen darf.«
Sie spürte, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. Zach hatte das Gesetz, das verbot, dass man in Oregon selbst tankte, als persönliche Beleidigung aufgefasst. Zweifellos waren ihm die Tankwarte nicht schnell genug.
Während sie aus dem Angebot des Tankstellen-Shops ein paar Dinge aussuchte, die nicht mit zu vielen Konservierungsstoffen belastet waren, verspürte sie plötzlich das
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