Mach mich Glücklich!
- »einen zarten Knochenbau. Und lange Beine und schlanke Hüften.«
»Und schöne Lippen.«
»Ja, und schöne Lippen, die mit diesem Lippenstift sehr gut aussehen.« Nachdem ihr bewusst geworden war, dass sie gewisse Vorzüge hatte, wurde sie mutiger. »Ich habe schöne Haut, aber ...« Sie zog an ihrem Pulli. »Diese Farbe steht mir überhaupt nicht, oder?«
»Zu hell«, stimmte Lily ihr zu. »Solche Pastelltöne machen Sie blass. Und etwas mehr auf Figur geschnitten wäre auch nicht schlecht. So was in der Art.« Sie führte Jess zu einem Stapel Chenille-Pullis, die vorne einen Reißverschluss hatten und in der Mitte anders gestrickt waren, sodass sie ein. wenig tailliert waren. »Ja, ich denke, das würde Ihnen stehen. Welche Farbe gefällt Ihnen?«
Jessica griff nach einem satten Goldbraun, aber dann ließ sie die Hand wieder sinken. Sie würde darin bestimmt wie ein großes braunes Küken aussehen. Lily zog ihn jedoch aus dem Stapel.
»Ich glaube, dass die meisten Leute genau die Farben schön finden, die ihnen stehen«, sagte sie. »Das trifft natürlich nicht immer zu, aber in der Tendenz schon.« Sie hielt den Pulli an Jessica. »Sehen Sie, Sie haben ein tolles Farbgefühl. Das Braun betont den Schimmer Ihrer Haare und lässt Ihren Teint frisch erscheinen. Probieren Sie ihn doch mal an.«
Als sie ihre nachmittägliche Einkaufstour beendet hatten, war Jessica stolze Besitzerin von zwei neuen Pullovern, neuem Make-up und sogar einem Paar neuer Schuhe. Gegen Letztere hatte sie sich zuerst heftig gewehrt und darauf verwiesen, wie praktisch die Halbschuhe waren, die sie gerade trug.
Lily hatte sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen angesehen und gefragt: »Praktisch wofür? Um als Sechzigjährige durchzugehen? Ich sage ja nicht, dass Sie sie wegwerfen sollen, Jess, heben Sie sie für Ihre Wanderungen über die Klippen auf. Und für weniger sportliche Gelegenheiten sollten Sie sich diese entzückenden Ballerinas kaufen. Wenn Sie danach gehen, was praktisch ist, sind Ballerinas die erste Wahl. Überlegen Sie mal: Für jemanden, der gerne barfuß in der Wohnung herumläuft, sind solche Schuhe doch am schnellsten an- und auszuziehen. Gar nicht davon zu reden, wie gut es der Gesundheit tut, hübsch auszusehen. Das baut Stress ab. Ich kann Ihnen versichern, dass zumindest mein Stresslevel merklich gesunken ist, seit Sie etwas anderes als diese klobigen alten Latschen an den Füßen haben.«
Jess lachte und kaufte die Schuhe, insgeheim voller Freude. Sie wusste, dass die paar neuen Kleidungsstücke und eine kurze Unterweisung, wie sie sich schminken sollte, sie nicht automatisch in eine strahlende Schönheit verwandeln würden. Und es würde ihr selbstverständlich nichts von den Sorgen nehmen, die sie sich wegen ihrer Ehe machte. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, gut angezogen zu sein. Nicht nur passend oder nett, sondern richtig schick. Und dadurch fühlte sie sich attraktiv. Es war, als wäre ihr plötzlich ein Licht aufgegangen, als hätten die Geheimnisse, über die andere Frauen offensichtlich Bescheid wussten, sich endlich auch ihr enthüllt. Und auch wenn Lily früher oder später zurück nach Kalifornien gehen würde, so war Jessica doch sicher, dass sie bis dahin lernen würde, wie sie ihre Vorzüge betonen konnte.
Und das gab ihr überraschenderweise ein Gefühl von Macht.
Es war schon ziemlich spät, als es an Zachs Tür klopfte, und er sagte leise ins Telefon. »Da ist jemand an meiner Tür.«
»Dann hören wir jetzt besser auf«, gab Rocket sofort zurück. »Und mach dir keine Sorgen. Ich werde mich gleich an die Arbeit machen und die Beaumonts genauer unter die Lupe nehmen.«
»Ich zähl auf dich, Miglionni. Irgendwas ist hier faul, da gehe ich jede Wette ein, und wenn jemand herausfinden kann, was dahinter steckt, dann du.« Sie vereinbarten eine Zeit, wann er wieder anrufen sollte, um sich nach ersten Ergebnissen zu erkundigen, und als Zach auflegte, klopfte es zum zweiten Mal an seiner Tür.
»Komme schon«, knurrte er und öffnete die Tür. »Nur die Ruhe, nur die -« Beim Anblick der Frau, die vor seiner Tür stand, blieben ihm die Worte im Hals stecken.
Denn der letzte Mensch, den er zu sehen erwartet - oder gewünscht - hatte, war Lily
Und der letzte Ort, an dem er sie sehen wollte, war sein Schlafzimmer.
Aber da stand sie, mit ihren knappen ein Meter sechzig und ihren wahnsinnigen Stöckelschuhen, duftete wie ein Engel und sah aus wie die Fleisch gewordene
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