Mach mich nicht an
und niemals erfolgreich sein würde, in ein Albtraumkind verwandelt.
Zu seiner Überraschung lachte sie. »Nein, das hast du wahrlich nicht. Aber es war auch nicht deine Aufgabe, uns das Leben so einfach wie möglich zu machen. Es wäre unsere Aufgabe gewesen, dich zu akzeptieren, wie du warst... Brandon, ich erwarte beileibe nicht, dass wir uns auf der Stelle versöhnen und praktisch über Nacht plötzlich alles eitel Wonne ist. Wir werden die Vergangenheit und unsere Differenzen nicht so schnell hinter uns lassen können. Aber ich möchte es zumindest versuchen - versuchen, eine Familie zu werden.«
Wie zum Teufel stellte sie sich das vor? Alte Gewohnheiten konnte man nicht einfach ablegen wie einen Mantel. Von einem derart tief sitzenden Groll wie bei ihm einmal ganz zu schweigen.
»Ich habe keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen«, sagte er.
»Nun, ich freue mich, dass wir zumindest einen ersten Schritt getan haben.« Sie erhob sich und lächelte befangen. »Ich bin froh, dass ich Annabelles Ratschlag befolgt habe.«
Bei diesen Worten spitze er die Ohren. »Was denn für einen Ratschlag?«
Estelle schüttelte den Kopf. »Ach, keinen bestimmten. Wir hatten nur darüber geredet, wie ich die Kluft zwischen uns überbrücken könnte. Sie ist wirklich etwas Besonderes, Brandon.«
Über Mädchen war bei ihm zu Hause schon früher nie gesprochen worden. Es kam ihm lächerlich vor, jetzt damit anzufangen - zumal die ganz besondere Frau, um die es sich handelte, einfach so gegangen war. Und er hatte nicht versucht, sie aufzuhalten.
Er erhob sich ebenfalls, um Estelle zur Tür zu begleiten. An der Küchentheke blieb er stehen und kritzelte etwas auf einen Notizzettel.
»Hier, das ist für dich.« Er hatte sich selten so eigenartig gefühlt.
Sie nahm den Zettel entgegen und musterte ihn fragend.
»Meine Handynummer.«
Ihr dankbarer Blick sagte mehr als tausend Worte.
Drei Tage, nachdem sie Vaughn verlassen hatte, saß Annabelle in ihrem Büro und arbeitete sich durch stapelweise Nachrichten und wichtige Unterlagen. Eine Stunde lang bemühte sie sich vergeblich, nicht an Vaughn und ihre Zeit zusammen zu denken, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Und als würde ihre Sehnsucht nach ihm nicht ausreichen, um sie abzulenken, ertönte aus dem Büro ihres Onkels nebenan immer wieder Gerumpel und Getöse.
Die Atmosphäre in der Firma war nicht mehr dieselbe, seit Lola vor drei Tagen ihre Drohung wahr gemacht und den Platz für ihre Nachfolgerin geräumt hatte. Der Zeitpunkt war genauso gut oder schlecht gewesen wie jeder andere auch, aber ohne Lola wirkte das Büro verlassen und leer. An ihrem Schreibtisch saß bereits die dritte Aushilfskraft. Ihre beiden Vorgängerinnen waren zwar durchaus fähig gewesen, aber wieder abgezogen, nachdem Onkel Yank einen seiner Brüllanfälle inszeniert hatte.
Erneut ertönte aus seinem Büro nicht zu überhörendes Gepolter. Annabelle griff zum Telefon und wählte die Nummer der neuen Assistentin, doch vergeblich. Als Nächstes versuchte sie es bei Sophie.
»Was ist los, Annie?«
»Das würde ich gern von dir wissen. Kannst du mal kurz zu mir kommen?«
Als Sophie gleich darauf das Büro ihrer Schwester betrat, rumpelte es nebenan schon wieder.
»Hörst du das?« Annabelle deutete mit dem Daumen auf die Wand, hinter der sich das Büro ihres Onkels befand. »Was zum Teufel geht da drüben vor sich?«
Seit Lolas Abschied, der zufällig mit Annabelles Rückkehr zusammengefallen war, schien Yank noch griesgrämiger als sonst, daher hatte Annabelle nicht die geringste Lust, dem Krach allein auf den Grund zu gehen.
Sophie schüttelte den Kopf. »Frag lieber gar nicht erst.«
»Ich will es aber wissen. Du kannst es mir ja schonend beibringen.«
Aber noch ehe Sophie Gelegenheit dazu bekam, wurde die Tür aufgerissen und Micki stürzte herein. »Ich halte das keine Minute länger aus!«, rief sie.
Annabelle musste nicht erst fragen, was ihre Schwester damit meinte. Mickis Büro grenzte auf der anderen Seite an das von Yank.
»Willkommen im Club. Mach die Tür zu«, sagte Sophie trocken. Dann wandte sie sich an Annabelle: »Onkel Yank übt in seinem Büro.«
»Er übt ? Was denn?«, erkundigte sich Annabelle und verdrehte die Augen, da sie die Antwort bereits ahnte.
»Für den Ernstfall. Er spielt Blinde Kuh und versucht, sich so in seinem Büro zurechtzufinden.«
»O nein.« Annabelle legte den Kopf auf der Schreibtischplatte ab und stöhnte. Dann blickte sie auf.
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