Mach mich nicht an
Problem ihres Onkels zu kommen, widmete sie sich wieder ihrem eigenen.
Vaughn begann erneut, sich abzuschotten. Er machte sich Yanks Besuch zunutze, um eine Mauer zwischen ihnen aufzubauen - kein Dinner for Two, keine langen Gespräche beim Essen, kein gemeinsames Saubermachen danach, nichts. Es musste dringend etwas passieren. Da hörte sie auch schon Vaughns Türe gehen. Und obwohl sie alles andere als sicher sein konnte, dass sie ihm willkommen war, holte sie tief Luft, um sich Mut zu machen und tappte quer über den Korridor zu seiner Tür.
Sie klopfte wie schon in der Nacht zuvor. Nach ein paar Sekunden, die sich schier endlos in die Länge zogen, ging die Tür auf und Vaughn stand vor ihr.
»Annabelle«, sagte er heiser. Sehnsucht und Leidenschaft lagen in seiner Stimme, doch er bat sie nicht herein.
Sie schluckte. »Können wir uns unterhalten?«
Er nickte, blockierte aber weiterhin breitschultrig die Tür.
»In deinem Zimmer«, drängelte sie. »Ich kann keine Zuhörer brauchen.«
Er stöhnte, dann trat er zur Seite und bedeutete ihr, hereinzukommen. »Das ist der reine Wahnsinn«, stellte er fest, während er die Tür schloss. »Einen Stock über uns schläft dein Onkel.«
»Vaughn, ich bin volljährig. Onkel Yank hat diesbezüglich überhaupt nichts zu melden. Ich respektiere ihn, aber glaub nicht, dass du ihn als Ausrede missbrauchen kannst, um mir aus dem Weg gehen zu können.«
»Das ist keine Ausrede. Ich muss mir den Respekt deines Onkels erst wieder verdienen.«
Sie streckte die Hand aus und streichelte seine Wange. »Ich werde mich in aller Herrgottsfrühe zurück in mein Zimmer schleichen.«
Seine Augen weiteten sich, das Blau wurde noch eine Spur tiefer, intensiver, aber er erstickte sogleich jede Hoffnung im Keim. »Ich schlafe auf keinen Fall mit dir, solange dein Onkel im Haus ist.«
Sie fand seine Ritterlichkeit und seine altmodischen Wertvorstellungen bewundernswert. »Ich will doch nur neben dir im Bett liegen.« Sie hatte weiß Gott nicht vor, die Achtung zu unterminieren, die er ihrer Familie entgegenbrachte; sie wollte nur seine Nähe spüren. Es reichte ihr völlig, einfach neben ihm zu liegen.
Ts, ts.
Da hatte sich ihren guten Vorsätzen zum Trotz wohl doch eine definitiv gefühlsbetonte Komponente in ihre Leidenschaft eingeschlichen.
»Also gut, du kannst hier bleiben«, willigte er schließlich mit verständnisvoller Miene ein.
Aber die Annahme, seine bloße Anwesenheit würde ausreichen, entpuppte sich als Trugschluss. Nachdem er das Licht ausgemacht und sich von ihr weggedreht hatte, musste sie feststellen, dass man sich auch einsam fühlen konnte, wenn man nicht allein im Bett lag.
11
Vaughn erwachte,
weil sich neben ihm jemand ruhelos im Bett herumwälzte. Es dauerte kaum eine Sekunde, bis ihm klar wurde, dass es Annabelle war, die da im Schlaf zuckte und vor sich hinmurmelte.
Gestern Abend hatte er zwar erfolgreich der Versuchung widerstehen können, aber nur, indem er jede Berührung mit ihr vermieden, sich emotional vor ihr zurückgezogen hatte. Doch das war gestern gewesen jetzt, wo sie im Schlaf so aufgewühlt wirkte, konnte er nicht anders. Er musste seinen Schwur, Distanz zu wahren, brechen.
Er konnte beim besten Willen nicht mit ansehen, wie sie litt.
Also streckte er den Arm nach ihr aus und zog sie an sich. »Annie.« Er rüttelte sie sanft. »Wach auf, Süße. Du hast einen Albtraum.«
Sie warf den Kopf hin und her. »Wir sind auch bestimmt brav, ich versprech‘s. Aber bitte, trennen Sie uns nicht«, wimmerte sie. Dann schreckte sie auf und blickte um sich, ohne ihre Umgebung wahrzunehmen.
»Annabelle«, flüsterte er.
Sie wandte sich ihm zu und starrte ihn an.
Er konnte genau sehen, wie ihr schlagartig bewusst wurde, wo sie war.
Sie murmelte »Tut mir Leid« und senkte den Kopf, um seinem Blick auszuweichen. »Ich sollte jetzt gehen.« Doch als sie aufstehen wollte, hielt er sie zurück und strich ihr über das Haar.
»Erzähl mir von deinem Traum.«
Sie schmiegte sich in seine Arme und schien sich ein wenig zu beruhigen. »Ich habe diese Albträume, seit ich denken kann.«
Er hielt sie fest, ihren geschmeidigen Körper an sich gedrückt, die Nase in ihrem duftenden Haar vergraben, und kämpfte gegen die Reaktion seines Körpers, gegen seine wachsende Begierde an. Er wollte tief in sie eindringen; sie sollte an nichts anderes mehr denken als an ihn. Ihm fiel im Augenblick keine andere Methode ein, um sie zu trösten.
Aber selbst er wusste
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