Mach mich nicht an
verpasste ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Ich sollte wohl doch Spencers Einladung zum Dinner annehmen, sobald ich wieder in der Stadt bin.«
Annabelle unterdrückte ein Lachen. Lola verfolgte genau die Strategie, die sie selbst bereits in Erwägung gezogen hatte - ihren Onkel mit seinem Konkurrenten Spencer Atkins eifersüchtig zu machen. Nach Yanks feuerroter Birne zu urteilen, war ihr das auch gelungen.
»Den Teufel wirst du tun«, bellte Yank. »Der lädt dich doch bloß zum Dinner ein, weil du dich plötzlich anziehst wie ein Callgirl.«
Lola straffte die Schultern und erwiderte hoch erhobenen Hauptes: »Wenigstens hat er mich eingeladen, im Gegensatz zu einem gewissen alten Sturschädel, den ich kenne.«
»Alt? Wen nennst du hier alt?«
»Du liebe Güte, was ist denn mit denen los?« flüsterte Annabelle Vaughn ins Ohr.
Er zog viel sagend eine Augenbraue hoch. »Da fragst du noch? Aufgestauter sexueller Frust«, murmelte er.
»Himmel«, sagte sie und beobachtete verwundert das zeternde Duo, das so unverhofft hier aufgekreuzt war und sich keinen Deut um seine Zuhörerschaft scherte. »Sollen wir sie alleine lassen?«
Er nickte. »Warum nicht. Wir können ihnen sowieso nicht helfen. Was denkst du, wie lange wird das noch dauern?«
Annabelle zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. So habe ich die beiden noch nie erlebt. Onkel Yank stand schon immer ein bisschen unter Strom, aber Lola ist wie ausgewechselt. Es sieht ganz danach aus, als würde sie unbeirrbar ein Ziel anpeilen, nämlich meinen Onkel.«
Während Vaughn sich in die Küche begab und sie mit dem Hund vor die Tür ging, kam Annabelle zu der Überzeugung, dass ihr Onkel und Lola sich ähnlich wie sie selbst und Vaughn verhielten.
Blieb zu hoffen, dass Yanks Totalverweigerung gegenüber seiner Assistentin kein schlechtes Omen für sie alle war.
Beim Abendessen fragte sich Vaughn, wie sein Leben so plötzlich aus dem Ruder hatte laufen können. Im Gästehaus hatte er mit einem Saboteur zu kämpfen und bei ihm zu Hause gab es eine wahre Invasion von Verwandten - und es handelte sich dabei noch nicht einmal um seine eigenen! Er war so viel Gesellschaft und die damit verbundene Unruhe nicht gewöhnt, musste aber zugeben, dass er den Tumult zunehmend genoss. Und auch die Tiere, die ständig irgendwo herumwuselten, störten ihn immer weniger - auch wenn er Annabelle gegenüber natürlich nichts dergleichen sagte.
Stünde er vor der Wahl, dann würde er sich wahrscheinlich für einen richtigen Hund entscheiden; aber der Aufenthalt des winzigen Wattebausches dauerte ja zum Glück nicht ewig, und so lange konnte er die verzogene Töle auf jeden Fall dulden.
Vaughn nahm unauffällig ein Stückchen zartes Hühnerfleisch vom Teller und steckte es dem Fellbündel zu, das unter dem Tisch um seine Beine hopste.
Annabelle, der das nicht entgangen war, rügte ihn dafür. »Lass das. Du verwöhnst ihn noch.«
Er musterte sie belustigt. »Aber wenn er bei dir im Bett schlafen darf, dann hat das nichts mit verwöhnen zu tun, wie?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich mag es, wenn ich Gesellschaft habe.«
Das hatte er auch schon bemerkt. Sie brauchte ihre Tiere ganz offensichtlich, um eine gewisse Leere in ihrem Leben zu kompensieren - obwohl er sich diese Leere angesichts ihres turbulenten familiären Umfelds eigentlich nicht erklären konnte. Im Gegensatz zu ihren Eltern waren seine noch am Leben und bedachten ihren missratenen Sohn mit derselben Geringschätzung wie eh und je. Sie wohnten sogar in derselben Stadt wie er, hätten aber genauso gut auch auf dem Mond leben können. Kein Wunder, dass er die Versöhnung mit Yank Morgan angestrebt hatte.
Vaughn warf einen verstohlenen Blick auf seinen Agenten und dessen Assistentin, die sich schon die ganze Zeit ungewöhnlich wortkarg gaben. »Na, schmeckt es euch?« Er war zu einem erst kürzlich eröffneten Boston Market in der Stadt gefahren und hatte dort ein komplettes Menü - Hühnchen samt Kartoffelpüree, Gemüse und Brötchen - besorgt.
Alle Anwesenden tauschten schweigend Blicke aus.
»Boris ist jedenfalls sehr angetan«, bemerkte Annabelle schließlich.
»Es war vorzüglich, Brandon. Danke für deine Gastfreundschaft.« Lola säuberte ihren Teller seinen Protesten zum Trotz provisorisch im Spülbecken und stellte ihn dann in den Geschirrspüler. Dann kehrte sie an den Tisch zurück und zog Yank praktisch den Teller unter der Nase weg, worauf dieser »Hey, ich war noch gar nicht fertig«
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