Mach mich nicht an
grummelte.
»Ziehst du es etwa vor, dein Geschirr selbst zu spülen? Ich bin nämlich erschöpft von der Autofahrt und gehe heute früh ins Bett.«
Vaughn hütete sich, Lola zu verärgern, indem er anbot, an ihrer statt hinter Yank herzuräumen; Annabelle, die grinste, aber schwieg, schien dasselbe zu denken.
»Also gut, dann nimm mir ruhig mein Essen weg«, murrte Yank.
»Würde dir nicht schaden, ein bisschen abzuspecken.«
Sie wischte sein Tischset ab.
»Den Rest erledige ich, Lola. Geh du nur und ruh dich aus«, sagte Annabelle.
»Mach ich, danke. Gute Nacht allerseits.« Sie nickte Vaughn und Annabelle zu, übersah Yank jedoch geflissentlich, ehe sie sich nach oben in ihr Zimmer begab.
»Gute Nacht, Lola«, murmelten die beiden.
Da Lola ihm versichert hatte, Yanks Sehkraft reiche aus, um die Treppe zu erklimmen, hatte Vaughn seine Putzfrau angerufen und von ihr zwei der Zimmer im oberen Stock auf Vordermann bringen lassen, damit die Besucher ihre Privatsphäre hatten. Vor allem Yank, der sichtlich auf der Suche nach etwas Zurückgezogenheit war wollte er einen Zufluchtsort bieten, auch wenn seine Assistentin - sehr zu Yanks Leidwesen nun erneut im Nebenzimmer saß.
Kaum war Lola verschwunden, da fragte Annabelle ihren Onkel: »Möchtest du ein Dessert?«
»Warum nicht. Dann hat der alte Drache wenigstens gleich wieder einen Grund, sich aufzuregen.« Damit meinte er natürlich Lola.
»Ich habe den leisen Verdacht, dass du auch schon langsam reif für die Kiste bist«, entgegnete Annabelle zuckersüß.
Der Alte runzelte die Stirn. »Zuerst habe ich mit Vaughn noch einiges zu besprechen.«
Annabelle winkte ab. »Dann werde ich hier Ordnung machen und Vaughn kann ja in der Zwischenzeit versuchen, dich zur Vernunft zu bringen, was Lola anbelangt. Und was deinen Aufenthalt hier betrifft: Hast du nicht eine Firma in der Stadt, die deiner Aufsicht bedarf?«
»Yank kann hier bleiben, so lange es ihm passt«, erklärte Vaughn darauf eilfertig. Er brauchte dringend einen Puffer zwischen sich selbst und der Frau, die er mehr und mehr ins Herz schloss.
Annabelle musterte ihn misstrauisch. »Du überraschst mich.«
»Wieso? Hast du mir so viel Gastfreundschaft etwa nicht zugetraut?«, fragte er mit einem harmlosen Grinsen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich hatte den Eindruck, dass du sehr viel Wert auf Ruhe, Frieden und viel Platz legst.« Damit stapelte sie die restlichen Teller aufeinander und räumte den Tisch ab.
Vaughn formte mit den Lippen ein tonloses »Danke!« und wandte sich an ihren Onkel. »Na, Yank, genehmigen wir uns einen Drink im Wohnzimmer?«
Einen ausgiebigen Drink. So ausgiebig, dass inzwischen hoffentlich sämtliche Frauen im Haus im Bett lagen und den Männern ihren lieben Frieden ließen.
Annabelle dachte an die vor ihr liegende Nacht. Während ihr Onkel und Yank ihr Männergespräch führten, war sie mit Boris Gassi gegangen und hatte Natashas Käfig gesäubert. Spike die Katze saß vermutlich im Wohnzimmer, bei Yank oder Vaughn auf dem Schoß. Sie war eben unzweifelhaft ein Weibchen.
Schließlich ging Annabelle alleine auf ihr Zimmer, wusch sich und machte sich bereit zum Schlafengehen. Da jederzeit Onkel Yank oder Lola hereinkommen oder im Korridor aufkreuzen konnten, wenn sie auf dem Weg zu Vaughn war, fiel der Seidenteddy heute flach. Sie schlüpfte in eines ihrer zahlreichen T-Shirts, in denen sie sich ohnehin am wohlsten fühlte. Dann betrachtete sie ihr leeres Doppelbett, über dem in riesigen Lettern das Wort »Einsamkeit« zu blinken schien. Sie schüttelte frustriert den Kopf. Zu Hause schlief sie seit Monaten alleine und hier vermisste sie Brandon Vaughn schon nach einer einzigen - zugegeben spektakulären - Nacht! Was zum einen daran liegen mochte, dass sie einen verlockenden Vorgeschmack bekommen hatte und unbedingt mehr wollte, zum anderen hatte es mit der Tatsache zu tun, dass ihre Affäre mit Vaughn auf diese Geschäftsreise beschränkt war. Sie würde sich diese Zeit auf keinen Fall von ein paar uneingeladenen Familienmitgliedern vermiesen lassen.
Damit kehrten ihre Gedanken unvermittelt zu ihrem Onkel zurück. Sie machte sich Sorgen um ihn, denn irgendetwas war da zweifellos im Busch. Er hatte die weite Reise nach Greenlawn mit Sicherheit nicht nur unternommen, um vor Lola zu flüchten. Doch so sehr Annabelle sich auch den Kopf darüber zerbrach, sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Und da sie im Augenblick keine Möglichkeit sah, hinter das
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