Mach mich nicht an
Sie haben kein Motiv und sind außerdem zu sehr auf ihr Ansehen und ihre weißen Westen bedacht, um sich auf derartige Dummheiten einzulassen.«
Vaughn senkte den Kopf. »Erzählen Sie mir doch zur Abwechslung mal etwas Neues.«
»Wussten Sie, dass Ihre alten Restaurants rote Zahlen schreiben?«
Bei dieser Enthüllung riss Vaughn den Kopf hoch. »Ausgeschlossen. Laura müsste sich schon sehr dumm anstellen, um diese Goldgruben zu ruinieren.«
»Nun, sie hat es geschafft. Ihre Exfrau steht nicht nur bei den meisten ihrer Vermieter in der Kreide, sondern auch bei diversen Lieferanten und sonstigen Geschäftspartnern.«
Vaughn vernahm es mit Staunen.
»Haben Sie noch Kontakt zu ihr?«, wollte der Detective wissen.
»Eigentlich nicht. Aber sie hat mich vor kurzem überraschend angerufen.« Konnte das ein Zufall sein? »Was wollte sie?«
»Geld. Sie meinte, es hätten sich ein paar ziemlich hohe Kreditkartenabrechnungen bei ihr angesammelt.«
Ross zog einen Notizblock hervor und kritzelte ein paar Worte darauf.
»Und Sie haben ihr geglaubt?«
»Ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Ich habe Sie nach den Restaurants gefragt, aber sie hat keinerlei geschäftliche Schwierigkeiten erwähnt.« Vaughn starrte aus dem Fenster und versuchte, nachzudenken, doch wenn es um Laura ging, war er völlig ahnungslos.
»Nun, wir sind auf der Suche nach einem Motiv. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie sehr erfreut wäre, wenn Sie erneut erfolgreich etwas auf die Beine stellen, während sie auf dem absteigenden Ast ist«, stellte Ross fest.
»Laura mag eitel sein, aber destruktiv ist sie nicht. Außerdem: Wenn sie wirklich hinter diesem Vandalenakt steckt, weshalb sollte sie mich dann auch noch anrufen und meine Aufmerksamkeit auf sich lenken?«, entgegnete Vaughn.
»Spielen Sie Schach?«
Vaughn schüttelte den Kopf.
»Dort nennt man das eine ›Forced attack‹, einen doppelten Angriff: Einerseits ruft sie an und bittet um Geld, andererseits sabotiert sie hinter Ihrem Rücken Ihr Projekt, damit es eine Pleite wird.« Ross sah ihm fest in die Augen. »Sie attackiert gewissermaßen von zwei Fronten gleichzeitig.«
Vaughn vergrub die Hände in den Hosentaschen und begann im Büro auf und ab zu gehen. »Ich gebe zu, es liegt im Bereich des Möglichen, aber mein Gefühl« - er klopfte sich mit der Faust an die Brust - »sagt mir, dass es nicht so ist, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Ross machte ein paar Schritte auf die Türe zu.
»Das behalte ich natürlich im Hinterkopf. Aber ich muss jede Möglichkeit in Betracht ziehen, egal, wie abwegig sie auch scheinen mag. Nicht, dass sie mir sonderlich abwegig vorkommt.«
»Halten Sie mich doch bitte auf dem Laufenden«, sagte Vaughn, während er Ross zur Tür begleitete.
Als er weg war, ging Vaughn das Gespräch noch einmal im Geiste durch. Konnte Laura hinter seinen Problemen stecken? Er schnaubte. Höchst unwahrscheinlich. Somit musste er wieder ganz von vorn anfangen. Er machte sich auf den Nachhauseweg in der Hoffnung, dass Annabelle hilfreichere Einsichten zu bieten hatte als der ermittelnde Detective.
Annabelle war bei ihrer Rückkehr in Vaughns Haus mitten in eine lautstarke Diskussion zwischen Lola und ihrem Onkel geplatzt. Eine Diskussion privater Natur, wie sie sogleich unschwer erkannte. Onkel Yank saß im Wohnzimmer auf der Couch, während Lola in einem schwingenden Rock und einer tief dekolletierten ärmellosen Rüschenbluse wie ein Tiger im Käfig hin und her lief, wobei ihre neuen hochhackigen Schuhe auf dem Hartholzboden klapperten.
Annabelle begrüßte die beiden mit einem flüchtigen Winken, konnte aber nicht umhin, Bruchstücke der Unterhaltung aufzuschnappen. Anstatt sich schnurstracks in ihr Zimmer zurückziehen und die Stimmen aus ihrem Gehirn zu verbannen, blieb sie im Korridor stehen und lauschte gebannt.
»Weißt du noch, wie es einmal zwischen uns war?«, fragte Lola gerade. »Zugegeben, als die Mädchen kamen, hat sich einiges geändert, aber es war noch lange nicht vorbei; es hat noch Jahre angedauert.«
Annabelle lehnte sich rücklings an die kühle Wand. Lola und Onkel Yank, ein Paar?
Nun, so abwegig war das eigentlich gar nicht, auch wenn sie bisher noch nicht auf die Idee gekommen war; nicht darauf hatte kommen wollen. Es war wohl ein bisschen, wie wenn man sich als Kind vorstellte, dass die eigenen Eltern Sex hatten.
»Du verdienst etwas Besseres als mich; das habe ich dir damals schon gesagt und ich sage es heute wieder«,
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