Mach sie fertig
gewesen. Er: ein Raubtier. Kannibale. Ein Mensch, der Abdrücke in der Geschichte hinterließ. Für Veränderung sorgte.
Der Schweiß rann ihm zwischen den Augenbrauen herab. Brannte in den Augen. Er wischte sich mit dem T-Shirt über die Stirn.
Das Einzige, was er jetzt noch benötigte, war eine Schusswaffe.
Es musste ein Ende nehmen. Die Ratten.
Die Männer.
Die Kombattanten.
27
Gloria Palace, Playa de Amadores, Gran Canaria. Sie hätten sich auch mondänere Inseln aussuchen können: Aruba, Mauritius oder die Seychellen. Aber was hätten sie dort gewollt? Der einzige Grund für Thomas war wegzukommen. Und Åsa zu beruhigen.
Dennoch: Das Hotel, Gloria Palace, hatte vier Sterne und ein Plus. Besser konnte man auf Gran Canaria nicht wohnen. Große Zimmer mit Panoramafenstern zum Meer hin. Eine kleine Sitzgruppe und ein Couchtisch mit einem Korb darauf, den der Zimmerservice jeden Tag mit frischem Obst füllte. Über dreißig Fernsehkanäle, ein interner Filmkanal, schwedische Zeitungen, phantastisches Frühstück. Einer der Pools, mit fünfundzwanzig Grad warmem Wasser, lag nur einige Meter vom Atlantik entfernt – man konnte auf die Wellen hinausschauen, während aus den Lautsprechern des Hotels gedämpfte Musik erklang. Ganz zu schweigen vom Fitnessstudio: Die Geräte machten den Eindruck, als wären sie erst gestern gekauft. Seine Hände rochen nach dem Training nach neuwertigem Kunststoff anstatt nach Polizeischweiß. Er trainierte jeden Tag. Alles war genauso, wie er es sich vorgestellt hatte, bloß noch besser. Åsa war entzückt. Thomas versuchte, sich zu entspannen.
Sein schwarz verdientes Geld kam ihm gut zupass. Åsa wunderte sich, wie sie es sich leisten konnten, in einem Hotel zu wohnen, dessen Standard nahezu dem eines Luxushotels gleichkam, und den sie noch nie zuvor erlebt hatte. Aber so extrem teuer war es gar nicht, und Thomas erklärte ihr, dass sie es mit dem Preisgeld bezahlten, das er im Schießclub gewonnen hatte. Er hatte allerdings auch nicht vor zu geizen. Åsa konnte so viele Behandlungen im Thalassotherapiecenter des Hotels buchen, wie sie wollte. Er mietete einen Wasserscooter und probierte Scubadiving aus, versuchte sich an Schlägen auf dem Neun-Loch-Golfplatz, fuhr mit ein paar Deutschen mittleren Alters einen ganzen Tag lang mit dem Boot zum Angeln raus. Jeden Abend ein Drei-Gänge-Menü in einem der À-la-carte-Restaurants, oder sie nahmen den Panoramaaufzug hinauf zur Promenade auf dem felsigen Küstenabschnitt oberhalb des Hotels und wanderten zum Dunas Amadores, dem Nachbarhotel.
Er ließ sich einen Bart wachsen: den ersten in seinem Leben; jeden Morgen war er aufs Neue von seinem Spiegelbild überrascht. Es juckte, er versuchte ihn zu trimmen – aber wie angenehm war es doch, sich nicht mehr rasieren zu müssen. Åsa behauptete, dass er kratzte. Aber das Eigentliche: Sie waren jetzt seit fast zwei Wochen hier und hatten noch nicht ein einziges Mal Sex gehabt. Okay, sie küssten sich manchmal, aber die Zahl der Küsse konnte man an einer Hand abzählen. Sie wussten beide, dass es nicht am Bart lag.
Manchmal dachte er, dass er eine Therapie beginnen müsste. Er liebte Åsa doch – warum war er dann nicht geil auf sie? Warum klappte es vor dem Bildschirm eines Computers besser als mit einer realen Frau? Zugleich: Therapie war nicht sein Ding. Allein der Gedanke daran, dass jemand es mitkriegen würde.
Sie saßen jeder in seinem Liegestuhl auf der Sonnenterrasse. Mit dem entsprechenden Sonnenschutzfaktor eingecremt. Das klarblaue Wasser im Pool gluckste. Das Hotel ragte hinter ihnen wie eine Felswand auf. Sechsundzwanzig Grad warm. Die Kanaren waren in gewisser Weise vorteilhaft: Das Atlantikklima sorgte dafür, dass man sich nicht wie in einem Backofen fühlte, wie zum Beispiel auf Sizilien, wo sie im vorigen Jahr gewesen waren.
Er versuchte, ein Taschenbuch von Dennis Lehane zu lesen:
Absender unbekannt
. Legte es auf dem Bauch ab. Rastlos, schaffte immer nur kurze Abschnitte, auch wenn es verdammt spannend war. Die Dialoge waren die besten, die er je gelesen hatte.
Åsa lag mit geschlossenen Augen da, ihre Haut glänzte von der Sonnencreme und dem Schweiß. »Wie ausgepresst«, meinte sie. Hörte sich ein Hörbuch an. Er beobachtete die Leute auf der Terrasse. Das hier war kein turbulentes Familienhotel. Weder Åsa noch er hätten es ausgehalten, jeden Tag glückliche Eltern sehen zu müssen, die mit ihren kleinen drallen Vierjährigen am Poolrand
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