Mach sie fertig
schrecklichsten in seinem Leben. Vergleichbar mit den Wochen nach Åsas Fehlgeburt. Er stand neben sich, konnte oftmals nicht schlafen. Aber das Schlimmste: die innere Unruhe. Und dennoch hatte er nicht das Gefühl, alles mit Åsa besprechen zu müssen. Sie kannte nicht die ganze Story. Sie konnte ihm nicht helfen. Warum sollte er sie da mit reinziehen? Das wäre nur unvernünftig.
Die Ermittlungen im sogenannten Misshandlungsfall kamen nur langsam voran. Bei einer Vernehmung durch die Internen sollte er seine Eindrücke schildern. Ein kleiner, an Hägerström erinnernder Idiot auf der anderen Seite des Tisches: Kriminalassistent Rovena. Wahrscheinlich einer, der die gesamten sieben Jahre nach seinem Examen hinter dem Schreibtisch verbracht hatte. Oder noch wahrscheinlicher:
unter
dem Schreibtisch, weil er so verdammte Angst davor hatte, dass etwas von der Decke fallen könnte. Farbe vielleicht. Oder Staub? Dass so einer sich überhaupt Polizist schimpfen durfte, war völlig daneben. Höchstwahrscheinlich war er über irgendeine verdammte Ausländerquote reingekommen. Er hatte nichts im Corps verloren.
Thomas erzählte, wie es gewesen war. Rovena interessierte sich für die Details. Wie viele Male schlug der Mann auf Lindqvist ein? Wie kam es, dass Andrén dem Mann keine Handschellen anlegen konnte? Wann entschied er sich, den Schlagstock zu benutzen?
»Wissen Sie, es gibt einen richtig guten Film darüber, den sollten Sie sich mal angucken«, befand Thomas. Rovena konnte über den Witz nicht lachen. Wollte sich die Bilder der Überwachungskamera nicht ansehen. Wollte vielmehr Thomas’ eigene Version hören, wie er behauptete. Dummes Geschwätz.
Ansonsten wurde der Ermittlungsscheiß in schriftlicher Form abgewickelt.
Thomas nahm schließlich Kontakt zu einem Rechtsanwalt auf. Der Kerl schrieb zwei Briefe. Im ersten verlangte er nach gewissen Auszügen aus dem Ermittlungsmaterial, die Thomas nicht hatte einsehen dürfen. Im zweiten kritisierte er formale Aspekte der Ermittlungen, nämlich dass ein Polizeiinspektor von einem Kriminalassistenten vernommen wurde – ein rangniedrigerer Bediensteter durfte keinen Übergeordneten vernehmen – und dass man nicht bemerkt hatte, dass Cecilia Lindqvist einen Versuch unternommen hatte, über Funk die Kommandozentrale zu erreichen, diesen aber abgebrochen hatte, weil Göransson zu aggressiv geworden war. Thomas war nicht besonders beeindruckt. Das Einzige, was die Briefe bewirkten, war, dass er ein weiteres Mal zu einer Vernehmung musste – diesmal zu einem Kriminalkommissar mit besonderem Dienstgrad. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf den Beschluss zu warten.
Er hielt sich überwiegend zu Hause auf. Konnte in gewisser Weise die Panik nachvollziehen, die Kleinkriminelle befiel, nachdem sie ein paar Tage in Untersuchungshaft gesessen hatten. Wobei er immerhin DVDS angucken und endlos lange auf den Pornoseiten im Internet surfen konnte. Wollte auch an seinem Cadillac weiterarbeiten, aber es vermittelte ihm keine Ruhe. Seine Leute hatten ihm Pralinen nach Hause geschickt, was ihm Kraft gab. Sie hatten einen kleinen Brief geschrieben: Wir hoffen, dass der Schützenkönig bald wieder zurückkommt. »Schützenkönig«, das tat gut. Thomas war meistens der Beste beim Schießen im Dienst, der Kosename traf also zu – es gab weitaus schlimmere Bezeichnungen, mit denen man im Corps bedacht werden konnte. Manchmal stemmte er Gewichte im Fernsehzimmer. Aber ohne großes Engagement. Die Tage vergingen. Der Sommer zog draußen vor dem Fenster vorbei wie ein irritierender Reflex auf dem Fernsehschirm.
Nach vier Wochen hatte er Kontakt zu Adamsson aufgenommen. Die ganze Sache kam ihm seltsam vor. Adamsson musste begreifen, dass es für Thomas kein Problem war, ins Büro zu kommen, solange die Ermittlungen liefen. Aber wie Thomas schon zuvor festgestellt hatte: Auf Adamsson war diesbezüglich kein Verlass. Er musste mehr in Erfahrung bringen.
Thomas bemühte sich, so freundlich wie möglich zu klingen, als er ihn anrief.
»Hallo Adamsson. Ich bin’s, Andrén.«
»Ja, ich höre es. Wie geht es Ihnen?« Der Kerl bemühte sich, entgegenkommend zu klingen. Aber es war ja nicht Thomas, der darum gebeten hatte, krankgeschrieben zu werden.
»Na ja, ich weiß nicht, ob ich das hier noch länger aushalte. Ich lauf zu Hause rum wie ’n Gespenst und warte auf den Beschluss.«
»Ich verstehe. Aber ich glaube dennoch, dass es am besten ist, wenn Sie sich vom Revier fernhalten.
Weitere Kostenlose Bücher