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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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verdammt nochmal, in den Arsch ficken.
    Mahmud guckte die Zeitschriften durch. Dachte: Schöner Wohnen, Dagens Nyheter – absolut gay. Nenn mir einen normalen Typen, der solche Zeitungen liest. Die Autozeitschrift hingegen war okay. Mahmud blätterte. Eine Reportage über neue Ferraris. Schwärmte eine Weile. Dann dachte er: Sollte er abhauen? Die Uhr auf seinem Handy: noch fünfzig Minuten. Er
musste
eigentlich abhauen. Zugleich: Erika war trotz allem ganz okay. Plus: Wenn er bei der Bewährungshilfe Mist baute, gab es Ärger mit den Bullen, und wenn es Ärger mit den Bullen gab, gab’s Zoff mit dem Sozialamt, und so weiter. Eigentlich war das Prinzip glasklar: Gerate niemals in die Mühlen dieses Systems. Denn wenn du einmal drinsteckst, lassen sie dich nicht mehr los. Niemals.
    Mahmud hatte sich einen iPod von Babak geliehen, den er aus dem Laden seines Vaters hatte. Hunderte von MP 3 s drauf. Babak hatte ihn mit der verrücktesten Mischung vollgetankt. Cooler Groove: P. Diddy, The Latin Kings, Akon. Fetter Sound. Aber auch: Haifa Wehbe, Ragheb Alama – echter Sound aus dem Nahen Osten. Mahmud lehnte den Kopf zurück. Chillte. Niemals würde er irgendwem erzählen, dass er so lange auf seine Bewährungshelferin gewartet hatte.
    Er hatte den Albtraum wieder geträumt. Zurück im Wald. Kiefern und Fichten verdunkelten den Himmel. Nach oben gereckte Arme. Das Gewehr glänzte in einem kalten Licht, das aussah, als käme es von irgendwelchen Straßenlaternen. Laternen mitten im Wald? Selbst im Traum kam es ihm merkwürdig vor. Im Gras umringt von schwarz gekleideten Männern – Mahmud guckte von schräg oben, als ob er über der gesamten Szene schwebte – sah er Wisam. Die Hände schwarz vom Blut in Wisams Gesicht. Es rann langsam herunter. Warm. Heiß wie ein Lavastrom. Er beugte den Kopf runter. Stefanovic richtete das Gewehr auf seinen Nacken: »Wir töten dich nicht, weil du es verdient hast, sondern damit es in unserer Erfolgsstatistik erscheint.« Wisam schaute auf. Verweinte Augen. Eine pochende Platzwunde auf seiner Wange. Oder vielleicht auch nicht. Das Blut verschmierte die Wangen. Das Kinn. Rann langsam runter. »Hilf mir«, sagte er.
    Nicht zum ersten Mal. Schon öfter, seit er gesehen hatte, wie die Jugos den Libanesen an dem besagten Nachmittag aufgriffen. Die Träume machten ihm die Hölle heiß. Waren kristallklar. Nicht zu stoppen. Scharf wie ’n Kokainrausch. Das Waldstück. Die Pisse im Gras. Akhramenkos Jabs gegen die Rippen eines gesichtslosen Gegners. Stefanovics Lächeln. Gürhans Grinsen. Born-to-be-hated. Er versuchte vor dem Schlafengehen ’ne Haschlulle zu rauchen, um besser einpennen zu können. Trainierte spät abends nicht mehr und trank keine Cola. Guckte nur langweilige Fernsehprogramme. Es funktionierte trotzdem nicht.
    Die Erinnerungen droschen regelrecht auf ihn ein.
    Stefanovic hatte ihn gebeten, in seinen Wagen zu springen. Im Anzug, ein Handy in der Hand, blendende Laune. Er wandte sich Mahmud zu: »Vielen Dank für die Hilfe.« Dann sprach er weiter in sein Handy. Auf Serbisch.
    Sie waren nach Södermalm gefahren. Slawische Musik aus dem Dolby-Surround-System des Wagens. Rote Ampel an der Vasagata: »War es schwer, dieses Schwein ausfindig zu machen?«
    Mahmud grinste. »Nein, Shit auch, ich bin der King, wenn’s drum geht, Leute ausfindig zu machen.« Inzwischen, zwei Monate später, kam ihm das Grinsen beinahe genauso widerlich vor, als hätte er am Grab seiner Mutter laut gelacht.
     
    Erika klopfte auf den Tisch vor ihm. Er öffnete ein Auge. Sie lächelte. Was, zum Teufel, gab’s da zu lächeln? Mahmud ließ die Knöpfe im Ohr. Hörte nicht, was sie sagte.
    Sie klopfte ihm aufs Knie. Versuchte, etwas zu sagen, das er durch den lauten Sound hindurch nicht hörte.
    Er nahm die Knöpfe raus.
    Bewegte sich schlurfenden Fußes in ihr Zimmer. Genauso unordentlich wie immer. Genauso viele Papiere, Kaffeebecher, Ramlösaflaschen, verwelkte Topfpflanzen, hässliche Plakate mit total aufgedunsenen Menschen drauf. Bildunterschrift: Botero. Fuck auch, sie war selbst so’n Botero – fette Kuh.
    »Nun kommen Sie schon, Mahmud, Sie müssen sich nicht wie ein Zweijähriger benehmen, nur weil Sie heute zu früh gekommen sind.«
    Mahmud rollte die Kabel der Ohrstöpsel zusammen. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist?« Und etwas leiser: »Fotze.«
    Erika starrte ihn an. Mahmud wusste: Man musste sie schon eine Weile kennen, um zu kapieren, wie irritiert sie war. Erika: eine

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