Mach sie fertig
Antwortete, ohne auf die Stichelei einzugehen: »Alles bestens mit mir.«
Fünf Minuten Smalltalk. Dann brach Ratko das Gespräch ab: »Wenn ich es richtig verstehe, läuft’s bei dir mit dem Verkauf gut.«
Mahmud prustete laut los. Unterwürfigkeit war nicht sein Ding: »Du kannst mich den King des K nennen.«
Ratko grinste ebenfalls. »Oder?« Doch dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Das Lächeln verschwand.
»Du wolltest über was reden?«
Mahmud wankte, verlagerte das Gewicht vom rechten auf den linken Fuß.
»Ich werd ’n neues Leben anfangen. Ich hab vor, mit dem Verkauf aufzuhören. Meinen letzten Deal mach ich mit dem Shit, den ich vorgestern abgeholt hab, aber der ist ja schon bezahlt.«
Ratko sagte nichts.
Mahmud sah zu Tom rüber. Tom schaute Mahmud an.
Mahmud sagte erneut: »Ich hör mit dem Verkauf auf.«
Ratko tat, als hörte er nicht.
»Hörst du schlecht? Ich hör auf zu verkaufen.«
Ratko schlug mit den Armen aus. »Okay, du hörst mit dem Verkauf auf. Was soll ich dazu sagen?«
»Nichts.«
»Nein, ich sag nichts. Aber wie soll es mit deinem Schwesterherz weitergehen? Und was denkst du, wird dein Vater sagen?«
Mahmud kapierte nicht, wovon er redete.
»Ich meine, wenn du mit dem Verkauf aufhörst, dann müssen wir ja das Solarium verkaufen, in dem dein Schwesterherz jobbt. Wusstest du das nicht? Wir sind diejenigen, denen es gehört. Und dann müssen wir noch deinem Vater erzählen, dass du ’ne Menge Shit für uns vertickert hast. Wir haben Fotos davon, wie du das Geld im Laden in Bredäng übergibst. Wir haben Fotos davon, wie du das Zeug aus dem Lager holst. Wir haben Bilder davon, wie du in der Stadt dealst. Aber vor allem haben wir Fotos von dir und Wisam Jibril. Er könnte also ganz zufällig davon erfahren, was dem Libanesen zugestoßen ist. Wegen dir. Was wird er nur darüber denken?«
Mahmud blieb die Spucke weg, sein Mund trocken wie Sandpapier.
»Mahmud, ich glaube, du verstehst allmählich.«
Tom trat einen Schritt vor. »Lass ihn aufhören, wenn er will, verdammt.«
Ratko hatte noch immer seinen Blick auf Mahmud gerichtet. »Mahmud kann ja wohl selber reden.«
Mahmud wollte nur noch weg. Riss sich zusammen. Konzentrierte sich. Musste etwas entgegnen. Er sagte: »Jetzt mach aber mal halblang. Ich hör auf, wann ich es will.«
Ratkos Antwort kam wie ein Peitschenhieb. »Korrekt.« Eine kurze Pause, dann fügte er hinzu: »Aber dann kann dein Schwesterherz ihren Job vergessen, und wir erzählen es deinem Vater. Wir sind ehrliche Leute. Er muss es erfahren.«
In Skärholmen. Zurück in der Jetztzeit. Robert hatte Mahmud vor dem Dal Al-Salam rausgelassen. Mahmud öffnete die Tür. Ein kleines Glöckchen ertönte.
Drinnen waren die Dampfschwaden undurchdringlicher als in ’nem Hamam. Im Club pfiff man aufs Rauchverbot: Alle Leute da drinnen waren sowieso über fünfzig – also warum sollten sie sich noch Gedanken über ihre Gesundheit machen? Der Raum: kleine viereckige Tische mit grünen Tischdecken und Aschenbechern drauf. Plastikstühle, Plakate mit Bildern vom Spiralminarett der Abu-Duluf-Moschee in Samarra, dem Märtyrer-Monument für den Iran-Irak-Krieg in Bagdad, Bilder von der Wüste in Najaf, von Schafherden, Kamelen. Ein altmodischer Fernseher in einer Ecke aufgehängt: Nachrichten auf al-Dschasira, wie immer.
Der Geräuschpegel auf höchstem Level. Die Männer beschäftigten sich mit dem, was sie immer machten. Aßen Pitabrot, tranken Kaffee mit extrem viel Zucker, rauchten starke Zigarillos und Wasserpfeife, spielten Shesh-Besh, legten Patiencen, blätterten in irakischen Zeitungen. Mahmud wurde augenblicklich von einem Nostalgiekick erfasst: das Brot in Baba Ghanoush gedippt, der Geruch der Wasserpfeifen, der Lärm der hitzigen Diskussionen der Männer, die Bilder von seinem Heimatland an den Wänden.
Mahmuds Vater tauchte aus den Rauchschwaden auf. »Salam aleikum!« Küsste Mahmud zweimal auf jede Wange. Wirkte fröhlicher als sonst: nicht gerade verwunderlich – Mahmud war nicht mehr im Club gewesen, seitdem er vierzehn geworden war.
»Willst du die Leute nicht begrüßen?« Beshar sprach leise. Sein arabischer Dialekt stärker als normal – sprach das K wie ein Ch aus. Aber Mahmud wusste, was die Freunde seines Vaters über Leute wie ihn dachten, auch wenn er nur kurze Zeit gesessen hatte. Irakis, die es allen anderen vermasselten, die ihre Würde mit Kriminalität beschmutzten.
Mahmud sagte: »Nein, jalla, beeil dich. Ich
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