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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Sessel, der Niklas angeboten wurde, war ziemlich bequem. Er hatte einen schlichten Holzstuhl erwartet, aber der hier war richtig angenehm. Die Psychologin, Psychiaterin, Ärztin – oder wie nun ihr formeller Titel lautete – schob ihren Sessel ein wenig dichter und nahm die Brille ab.
    »Ja dann, hallo. Ich heiße Helena Hallström und bin Psychiaterin hier in der Psychiatrischen Ambulanz. Und Sie sind, soweit ich weiß, Niklas Brogren. Waren Sie schon einmal bei uns?«
    »Nein, noch nie.«
    Er betrachtete sie. Vielleicht zehn Jahre älter als er. Dunkles hochgestecktes Haar. Eindringlicher Blick. Die Hände im Schoß. Er fragte sich, wie wohl ihre häusliche Situation war. Hier hatte sie das Sagen, das war klar. Aber zu Hause?
    »Dann darf ich Ihnen ein bisschen was erzählen. Ich weiß zwar noch nicht, weswegen Sie hergekommen sind, aber unser Ziel hier ist es, nach einer gemeinsamen Beurteilung Ihrer Bedürfnisse daran zu arbeiten, Ihnen zu helfen. Um letztlich eine bessere Lebensqualität zu erreichen. Wir haben ein breitgefächertes und variationsreiches Behandlungsangebot, und wir werden sehen, was für Sie am besten passt. Möglicherweise pharmakologische oder sozialpsychiatrische Behandlungen. Oder auch beides. In vielen Fällen ist allerdings gar nichts nötig.«
    Niklas machte nicht einmal den Versuch, ihr zuzuhören.
    »Also Niklas, weswegen sind Sie hergekommen?«
    »Ich schlafe schlecht. Und ich dachte, dass Sie mir vielleicht mit Schlaftabletten weiterhelfen könnten.«
    Helena setzte ihre Brille wieder auf. Bedachte ihn erneut mit diesem eindringlichen Blick.
    »Inwiefern schlafen Sie schlecht?«
    »Ich kann schlecht einschlafen, und ich wach mehrmals in der Nacht wieder auf.«
    »Aha, und was vermuten Sie, woran es liegt?«
    »Ich weiß nicht. Ich lieg dann da und denk an alle möglichen Dinge, außerdem hab ich ziemlich wirre Träume.«
    »Und woran denken Sie insbesondere?«
    Niklas war nicht hergekommen, um über seine Gedanken oder Albträume zu sprechen. Vielleicht war er naiv gewesen, stellte er jetzt fest. Zugleich wollte er unbedingt die Tabletten verschrieben bekommen.
    »Ich denke an alles Mögliche.«
    »Woran, zum Beispiel?« Helena lächelte. Niklas mochte sie. Sie schien sich ernsthaft Gedanken zu machen. War kein Soldat wie er, aber vielleicht dennoch ein Mensch, der ebenso wie er die gesellschaftlichen Mängel erkannt hatte.
    »Ich denke viel an den Krieg. Und daran, dass hierzulande niemand etwas dagegen unternimmt.«
    »Jetzt verstehe ich nicht ganz. Können Sie das ein wenig näher erklären?«
    »Ich bin viele Jahre beim Militär gewesen. In Kampfeinheiten, wenn ich das so sagen darf. Und ich hab viele Erinnerungen daran. Die mich manchmal ziemlich mitnehmen. Ich weiß, dass man diesen Mist hinter sich lassen und weitergehen muss, und das tue ich ja auch, das ist nicht das Problem. Aber als ich nach Hause zurückgekommen bin, hab ich festgestellt, dass in Schweden ebenfalls eine Art Krieg herrscht.«
    Sie machte sich Notizen.
    »Haben Sie beim Militär gewalttätige Szenen erlebt?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Ist es das, was Ihnen zusetzt?«
    »Ja, aber es ist der Krieg, der mich am meisten beschäftigt, der Krieg gegen euch.«
    »Gegen uns? Wie meinen Sie das?«
    »Gegen euch Frauen. Ihr werdet täglich angegriffen. Ihr fallt Attentaten, Angriffen zum Opfer. Ich hab es gesehen. Es passiert andauernd, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Wohnung. Und ihr unternehmt nichts dagegen, aber ihr seid ja auch die Schwächeren, deswegen ist es nicht gerade verwunderlich. Nur – der Staat kümmert sich auch nicht die Bohne. Ich male mir oft aus, was ich tun könnte.«
    »Und was malen Sie sich aus?«
    »Ich denke darüber nach und träume auch davon. Es gibt viele Methoden, und letztens hab ich ein paar von ihnen angewandt. Ich hab Lärm aus der Nachbarwohnung gehört. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich Experte auf diesem Gebiet bin.«
    Sie nickte vage.
    »Niklas, in der Psychiatrie gibt es verschiedene Fachbegriffe.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nun ja, es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für verschiedene Arten von Gedanken. In manchen Fällen sprechen wir von
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. Wahnvorstellungen können positive Symptome bei zum Beispiel Psychosen sein. Es existieren unterschiedliche Formen dieser Vorstellungen, aber alle sind für das nähere Umfeld mehr oder weniger schlecht nachvollziehbar. Die Wahrnehmung der Realität verändert sich. Das kann

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