Mach sie fertig
Alla Kvinnors Hus. Ein Herz, ein Weiblichkeitssymbol, ein Haus. Nett. Eine kleine Kameralinse hinter einer Plexiglasscheibe oberhalb des Türtelefons.
Er klingelte.
Eine Frauenstimme. »Hej, wie kann ich Ihnen helfen?«
Niklas räusperte sich.
»Ja, ich heiße Niklas Brogren und ich würde gern mit Ihnen besprechen, in welcher Weise ich dem Frauenhaus meine Mithilfe anbieten könnte.«
Die Frauenstimme blieb einen Moment lang still. Niklas rechnete damit, dass das Türschloss jeden Moment klicken und aufspringen würde.
»Tut mir leid, wir lassen keine Männer ins Gebäude. Aber wir nehmen gerne jede Hilfe an, die wir auf andere Weise bekommen können. Sie können uns einen Geldbetrag überweisen. Oder uns unter null acht sechshundertvierundvierzig null neun fünfundzwanzig anrufen. Wir haben wochentags zwischen neun und fünf geöffnet.«
Es wurde still. Hatte sie ihn etwa abgewürgt? Er probierte es noch einmal. So freundlich, wie er nur konnte.
»Okay. Aber ich glaube, dass Sie mich persönlich treffen sollten, um es zu verstehen. Ich könnte eine ganze Menge für Sie tun.« Niklas atmete tief durch. Sollte er sich outen? Ja, er wollte. Er sagte: »Ich bin selbst mit einer Mutter aufgewachsen, die misshandelt wurde.«
Die Frau auf der anderen Seite der Kamera war noch da. Er hörte, wie sie atmete. Schließlich sagte sie: »Ah, ich verstehe. Ihre Mutter kann uns ebenfalls anrufen. Unter derselben Nummer. Wir haben auch eine Website. Aber leider kann ich Ihnen nicht öffnen. Unsere Regeln sind mit Rücksichtnahme auf die Frauen, denen wir helfen, extrem strikt.«
Niklas schaute in die Kamera. Das war nicht gerade das, was er erwartet hatte. All die Nächte, in denen er mit Mamas Weinen im Hintergrund hatte einschlafen müssen. Das, was er letztens der misshandelten Frauen zuliebe getan hatte. Und jetzt – weigerten sie sich, ihn reinzulassen. Was für eine Scheiße.
»Ja, aber, warten Sie. Lassen Sie mich doch bitte rein.« Er ergriff die Klinke der Haustür. Zog. Es war eine stabile Tür.
»Es tut mir leid. Ich werde den Lautsprecher hier gleich ausstellen. Die Frauen, denen wir helfen, waren in vielen Fällen in so traumatische Erlebnisse verwickelt, dass sie nicht einmal mehr einen Mann in ihrer Nähe sehen möchten. Das müssen wir respektieren und Sie auch. Ich stelle jetzt aus. Hej, hej.«
Es knackte ein wenig im Lautsprecher. Niklas drückte erneut den Knopf des Türtelefons, obwohl er wusste, dass es keinen Sinn hatte. Pisse auch.
Was sollte er jetzt tun?
Er machte ein paar Schritte zurück auf die Svartensgata. Sah hinauf zu den großen Fenstern. Vielleicht konnte die Frau am Türtelefon ihn dort ja sehen. Begreifen, dass er es nur gut meinte. Er dachte an das Gespräch mit dem Polizisten neulich. Die Bullen kümmerten sich einen Dreck. Alla Kvinnors Hus kümmerte sich offenbar ebenso einen Dreck. Keiner unternahm etwas. Keiner machte einen Finger krumm. Alle kapitulierten letztlich angesichts der Gewaltherrschaft.
21
Den gesamten Vormittag hing Thomas zu Hause herum, untätig. Dann versuchte er ein wenig zu trainieren. Langweilig. Ödes Gefühl, daheim zu hocken. Duschte kalt. Nicht mal das versetzte ihm einen Kick wie sonst immer. Er befühlte seine Nase. Sie war wieder einigermaßen okay.
Er ging runter zum ICA . Kaufte zwei Autozeitschriften. Ebenfalls langweilig. Fasste Mut. Rief Åsa an. Erzählte ihr von dem Ermittlungsverfahren, das gegen ihn eingeleitet worden war, und welche Konsequenzen es für seinen Job haben könnte.
Sie wurde unruhig. Sehr, sehr unruhig.
»Aber Thomas, wenn sie dich freisprechen, kann doch nichts passieren, oder?«
»Leider doch, sie können der Meinung sein, dass ich die Abteilung wechseln muss.«
»Ja, aber das klingt nicht so wahnsinnig schlimm.«
»Ich könnte auch den Job verlieren.«
»Aber du hast doch im letzten Jahr deine ALV bezahlt, oder?«
Hatte er natürlich nicht. Die Arbeitslosenversicherung war etwas für Parasiten. Er versuchte sie, so gut es ging, zu beruhigen.
Das Ganze war total ätzend.
Um ein Uhr kam ein Handwerker, der eine Alarmanlage im Haus installieren sollte. Åsa hatte sich darüber auch gewundert, aber er erklärte es damit, dass die Einbrüche in der Gegend zugenommen hätten.
Eine Stunde später: Endlich – er rollte sich unter seinem Cadillac in die Dunkelheit. Der Lichtkegel der Stirnlampe huschte über den Unterboden. Er war weißer als Schnee. Thomas wartete damit, das Werkzeug zur Hand zu nehmen. Lag eine
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