Mach sie fertig
Sie. Sie machen einen guten Job.«
Die Frau rang sich ein Lächeln ab. »Waren Sie es, mit dem ich vor zwei Stunden am Türtelefon gesprochen habe? Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann. Aber hier, nehmen Sie doch eine Visitenkarte und geben Sie sie Ihrer Mutter.«
Er fühlte sich mies behandelt. War perplex. Verwirrt. Sauer. Sie hatte ihn wieder abblitzen lassen. Womit zum Teufel beschäftigten sie sich eigentlich im Alla Kvinnors Hus? Da bekommen sie ’ne Riesenchance, und dann pfeifen sie einfach drauf.
Er redete lauter: »Sie müssen mir glauben, ich will Ihnen nur helfen. Können wir nicht irgendwo zusammen ’n Bier trinken gehen, so dass ich es Ihnen erklären kann?«
»Sorry, aber ich muss jetzt heim. Sie können uns ja zu unseren Öffnungszeiten wieder anrufen.«
»Nein, warten Sie. Ich will es Ihnen hier und jetzt erklären. Ich bin Soldat gewesen.«
Die Frau ging langsam auf ein Fahrrad zu, das am Zaun angeschlossen war, an den Niklas sich gelehnt hatte.
Niklas ergriff ihren Arm. »Bleiben Sie stehen.«
Sie drehte sich um. Die Augen weit aufgerissen. »Lassen Sie mich bitte los.« Ihr Tonfall war scharf. Sie war eine Verräterin. Wenn sie sich nicht stärker für die Sache einsetzen wollte, konnte sie sich verpissen und hingehen, wo der Pfeffer wächst. Wenn Alla Kvinnors Hus seine Dienste ablehnte, waren sie nicht bereit zu kämpfen.
Er hielt sie fest. »Ich sag es zum letzten Mal. Wir werden uns jetzt unterhalten.«
Die Frau begann zu schreien. Zwei Bräute um die fünfundzwanzig, die einige Meter entfernt waren, blieben stehen. Niklas hatte keine Ahnung, wo sie so schnell hergekommen waren. Aber jetzt standen sie da wie zwei Waschweiber und glotzten. Kramten ihre Handys hervor.
Niklas riss an der Schultertasche der Frau. Sie schrie irgendwas von einem Überfall. Er zog an der Tasche. Irgendetwas wollte er, verdammt nochmal, von hier mitnehmen.
Bekam die Tasche zu fassen. Riss sie an sich. Rannte los.
Die Frau blieb mit offenem Mund stehen.
Er lief den Berg runter. Hörte Schreie hinter sich. Waren es die Bräute mit den Handys? Rannte weiter zur U-Bahn. Kam auf der Rolltreppe nach unten beinahe zu Fall. Es hörte sich an, als würden alle Leute um ihn herum laut schreien. Jemand versuchte ihn aufzuhalten. Er lief den Bahnsteig entlang.
Ein Zug fuhr ein. Er sprang rein.
Die Türen schlossen sich.
Der Wagen: nahezu leer. Ruhig. Stickig. Still.
Er hielt die Schultertasche der Frau in der Hand.
Öffnete sie.
Papiere. Filofax. Portemonnaie. Haarbürste. Anderer Mist.
Schaute noch einmal: Papiere. Informationen über Alla Kvinnors Hus. Strategievorschläge für bedrohte Frauen. Textentwürfe für eine Website. Und eine Liste: Namen von Frauen und Telefonnummern. Es konnte sich nur um eines handeln: betroffene Frauen. Die Frau, deren Tasche er gerade an sich gerissen hatte, hatte wahrscheinlich vor, sie anzurufen.
Ein grandioser Start. Geradezu genial. Zehn Namen von Frauen, denen Niklas helfen konnte. Zehn Männer hinter den Namen, die sich auf was gefasst machen konnten.
Zwei parallele Gedankengänge im Kopf: Er würde sie ausfindig machen. Er würde sie sich auf seine Weise vorknöpfen.
Niklas hatte seine Berufung gefunden. Seinen Auftrag. Alles machte plötzlich wieder einen Sinn. Die Offensive hatte begonnen.
24
Die große Frage: Wie gefährlich würde das hier für Åsa werden? Thomas hatte vor, auf eigene Faust zu handeln. Er schiss auf den Fremden vor seinem Fenster. Pfiff auf Adamssons Empfehlungen – der Kerl war in dieser Sache sowieso nicht auf seiner Seite, das war klar. Es war ihm scheißegal, wer auch immer ihn davon abhalten wollte, er hatte vor, die Suche nach der IMEI -Nummer und der Identität des SIM -Karteninhabers fortzusetzen. Denjenigen zu finden, der einen bislang noch nicht identifizierten Menschen umgebracht hatte.
Heute: Montag. Der erste Tag auf seinem Schritt in die Welt der Kripo. Kurt Wallander – du kannst einpacken. Hier kommt Thomas Andrén.
Åsa verließ das Haus zeitig wie immer. Sie hatte letzte Nacht wieder mit ihm schlafen wollen. Thomas hatte sich noch verspannter als sonst gefühlt. Åsa massierte seinen Rücken, rieb ihn mit Massageöl ein. Langsame Streichbewegungen entlang der Schulterblätter. Kräftige wohltuende Handgriffe im Schulter-Nackenbereich. Sie zog die Handflächen in Richtung Lendenwirbelsäule. Genau das, was er brauchte. Das Problem tauchte auf, als sie anfing, sein Ohrläppchen zu lecken.
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