Machen Sie Ihren Kopf fit für die Zukunft
wiederum vollziehen den entscheidenden Akt für die Inkubation nicht: Man muss zwar alles wissen, aber dann sozusagen
wieder alles vergessen! Das bedeutet, sein ganzes schönes, mühsam erworbenes Expertentum loszulassen. Denkgewohnheiten und
als richtig angesehene Sachverhalte und Vorannahmen müssen gezielt hinterfragt werden. Das tut manchem erfahrenen Praktiker
richtig weh! Er möchte gerne sein Erfahrungswissen anbringen, er ist stolz auf seine Hauruck-Improvisationsfähigkeit, die
sich zwar gut zur Behebung kleinerer Katastrophen eignet, aber leider nicht den großen Wurf hervorbringt. Hohe Intelligenz,
logische und analytische Fähigkeiten kann man im kreativen Prozess nicht genug haben! Aber jetzt stehen sie eher im Weg.
Was fördert die Inkubation?
Das Gehirn muss nun die ungeheuere Leistung vollbringen, bekannte Beziehungen zwischen den Informationsbausteinen zu lösen
und sie neu zu verknüpfen. Die Fachleute sprechen von Umstrukturierung. Viele Kreativitätstechniken helfen, die Aufgabe aus
einer anderen Perspektive und in einem anderen Zusammenhang zu sehen, um damit die neuen Beziehungen unter den Informationsteilen
anzuregen. Der Klassiker dieser Techniken ist ein Bild von René Magritte, das eine Pfeife zeigt mit der Unterschrift »Das
ist keine Pfeife«. Man stutzt einen Moment, und es beginnt die kreative Umstrukturierung: Was könnte es denn dann sein? Ein
Alphorn? Ein Suppenlöffel für Riesen? Die Ideen beginnen zu sprudeln und erzeugen neue Ansätze.
Möglichkeiten, noch mehr Input für die unbewusste intuitive Verarbeitung zu liefern, sind zum Beispiel: das Problem zu übertreiben,
es in sein Gegenteil zu verkehren, es in einer bildhaften Analogie zu verpacken und von dort aus die Zusammenhänge in einem
neuen Licht zu betrachten oder sich mit dem Problem zu identifizieren (
Ich
bin eine abbrechende Schraube
…
). Diese Techniken können gut im Team angewandt werden. Allerdings sollten die Gruppen nicht zu |116| groß sein, denn sich in einen neuen Zusammenhang hineinzudenken braucht etwas Zeit und Ruhe, die nicht gegeben ist, wenn andere
dauernd dazwischenreden.
EEG-Ableitungen bei kreativen Aufgabenlösungen haben gezeigt, dass besonders kreative Menschen sehr gut in der Lage sind,
ihre Gehirnwellenaktivität in der Inkubationsphase zu steuern und dabei vermehrt Wellen im Theta- und Deltaband (tiefe Entspannung)
zu produzieren, während die hoch aktiven Betawellen (normales Nachdenken) deutlich reduziert sind. Das tun sie häufig kurz
vor dem Durchbruch der Einsicht. Die Aufmerksamkeit ist dann ganz nach innen gekehrt. Man wirkt abwesend, nicht ansprechbar,
fast ein wenig schlafwandlerisch. Dieser Zustand ist für die Inkubation sehr wichtig, denn im Theta- und Deltamodus arbeiten
die intuitiven Verarbeitungsprozesse auf Hochtouren. Hier darf man nicht gestört werden, sonst werden die neuen Ideen in ihrer
Formierung unterbrochen. Allein zu sein ist jetzt das Wichtigste!
Praxis-Tipp Lernen Sie eine Entspannungstechnik
Ob autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung – Sie dürfen dabei auch gerne einschlafen. Entscheidend ist, dass
Ihr Gehirn trainiert, möglichst gezielt in den Tiefenentspannungsbereich der Theta- und Deltaaktivität zu kommen. Wenn Sie
die Technik gut beherrschen, das heißt Sie sich überall gut und tief entspannen können, beginnen Sie, diese Momente bewusst
für Ihre Kreativität zu nutzen. Bevor Sie sich hinlegen, formulieren Sie eine kleine, aber eindeutige Übungsfrage, wie zum
Beispiel: Was koche ich heute Abend für meine Familie, wie formuliere ich die Absage an den Mitarbeiter Schmitz, in welcher
Reihenfolge ordne ich die Folien der Präsentation? Sie dürfen davon ausgehen, dass Sie bei derartigen Alltagsaufgaben die
benötigten Informationen bereits alle in Ihrem Kopf »vorrätig« haben. Dann bitten Sie Ihr Gehirn, beim Aufwachen die Lösung
zu präsentieren. Halten Sie sich bereit, ohne Druck auf die »Eingebung« zu warten. Sie werden erstaunt sein, wie wenig Sie
üben müssen, um erste Ergebnisse zu erzielen. Natürlich passiert das nicht unbedingt |117| beim ersten Mal, doch geben Sie nicht auf. Lernen Sie mit dieser kleinen Methode, auf die kreativen automatischen Verarbeitungsleistungen
Ihres Gehirns zu vertrauen. Wer sich von seinem Gehirn jeden Morgen pünktlich kurz vor dem Weckerklingeln aufwecken lässt,
hat bezüglich des Vertrauens in sein Gehirn schon einen gewissen
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