Machen Sie sich frei Herr Doktor!
Sie was prüfen?«
»Die Situation«, sagte Sir Lancelot leichthin. Im gleichen Augenblick klopfte es, und der Silberkopf des Schiffsarztes erschien in der Tür.
»Guten Morgen, Mrs. Yarborough. Wir sind ein bißchen blaß.«
»Guten Morgen, Doktor. Wie nett von ihnen, so rasch zu kommen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht beim Frühstück gestört?«
»Wir Ärzte, Mrs. Yarborough, müssen uns an unterbrochene Mahlzeiten gewöhnen.« Er betrat die Kabine mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen. »Unsere Patienten kommen natürlich immer zuerst. Besonders so reizende wie Sie, Mrs. Yarborough, wenn ich das sagen darf.«
»Wie liebenswürdig.«
Er nickte Sir Lancelot kurz zu. »Ich erwarte Sie in meiner Ordination, um Ihre Anfälle zu behandeln.«
»Sie dürfen weiter warten.«
Dr. Runchleigh war gereizt. »Dann darf ich also annehmen, daß es uns gutgeht?«
»Was, zum Teufel, sollte schlechtgehen?«
»Nun, wir müssen auf uns schauen, nicht wahr? Besonders in unserem Alter. Diese kühlen tropischen Nächte; man weiß nie, wann man sich erkältet.«
»Wir sagen unserem Steward, daß er die Luke schließt, damit unser lieber Hals keine Zugluft bekommt.«
Dr. Runchleighs Nasenflügel zitterten. »Und jetzt möchte ich Mrs. Yarborough untersuchen.«
»Los«, sagte Sir Lancelot.
»Aber, Sir! Sie können doch nicht erwarten, daß ich eine Dame untersuche, während Sie im selben Raum sind.«
»Ich bin sicher, Mrs. Yarborough hat nichts dagegen.«
»Lancelot!« Dulcie zog die Bettdecke bis ans Kinn. »Vielleicht verlangt der Doktor, daß ich mein Nachthemd aus ziehe.«
»Also gut.« Er sah Runchleigh wütend an und öffnete die Kabinentür. »Ich werde ein paar Runden auf Deck machen. Hoffentlich achten Sie darauf, warme Hände zu haben, bevor Sie die Untersuchung vornehmen.« Sir Lancelot verließ die Kabine. Er sah den Gang hinauf und hinunter. Niemand zu sehen. Leise legte er sein Ohr an die dünne Holztür.
»Ich muß sagen, Mrs. Yarborough, obwohl er adelig ist - oder es zumindest behauptet, man kann das an Bord nie mit Sicherheit feststellen, und viele Passagiere legen sich Titel zu, auf die sie keinerlei Anspruch haben -, finde ich seine Manieren äußerst ungehobelt.«
»Ach, ich nehme an, er verbringt viel Zeit in der Gesellschaft rauher Tierärzte. Er ist ein Kind der Scholle, wissen Sie. Man kann von einem Mann, der sein Leben der Schweinezucht gewidmet hat, keine gesellschaftliche Routine verlangen.«
»Schweine!« Dr. Runchleighs Stimme klang de-goutiert.
»Ich bin überzeugt, daß er unter der rauhen Schale ein weiches Herz besitzt. Und ich glaube, daß ich ihm gefalle.«
»Sie, Mrs. Yarborough? Es ist wirklich verwunderlich, welche Wirkung die Seeluft auf ältere Passagiere hat. Vermutlich ist es das sanfte Schaukeln des Schiffes, das die Drüsen stimuliert. Ich hoffe, daß er Sie nicht belästigt? Sonst könnte ich mit dem Kapitän reden.«
»Nein, bitte nicht. Ich unterhalte mich gut mit ihm.«
»Leider gibt es heutzutage nicht mehr die Art Passagiere, an die ich gewöhnt bin. Verstehe gar nicht, wie manche von ihnen die Kreuzfahrt bezahlen. Fußballtoto wahrscheinlich. Nun zu Ihnen, Mrs. Yarborough. Wir werden Sie ganz rasch wieder auf die Beine bringen. Wo fehlt’s denn?«
»Mein Bauch schmerzt.«
»Tatsächlich? Vielleicht ein Diätfehler? Wir aßen wohl gestern abend Hummer Thermidor? Wollen Sie bitte Ihr Nachthemd hinauf ziehen, sich flach hinlegen, regelmäßig atmen und entspannen. Dann kann ich Sie untersuchen.«
Die Kabinentür, an der Sir Lancelot lehnte, ging auf und er fiel auf den Teppich. Auf blickend sah er Dr. Runchleigh, der die Türklinke in der Hand hielt.
»Nun«, fragte Dr. Runchleigh boshaft, »ich dachte, Sie gehen auf Deck spazieren?«
Sir Lancelot erhob sich langsam. Dulcie blickte ihn mit offenem Mund an. Sir Lancelot erwiderte hilflos ihren Blick. »Ich dachte, ich hätte meine Zeitung vergessen.«
»Mitten im Atlantik wird die Morgenzeitung nicht ausgetragen, Sir Lancelot.«
»Ja, da haben Sie recht«, stimmte er zu. Er stand da und strich sich den Bart.
»Zum Glück vermutete ich, daß Sie uns belauschen, So ersparte ich Mrs. Yarborough einige Verlegenheit.«
Sir Lancelot lächelte schwach. »Es ist meine pedantische Art. Ich wollte bloß sehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Sie haben wenig Vertrauen zu meiner Moral.«
Er sah den Arzt entsetzt an. »Wie können Sie so etwas denken?«
»Weil Sie mich nicht gern mit einer Patientin allein lassen.
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