Machen Sie sich frei Herr Doktor!
des Ladendiebstahls, oder besser gesagt, jedes Diebstahls - sei es eine Tafel Schokolade oder einen Barren Gold ist die Absicht des Diebes, den Besitzer auf ewig seines Besitzes zu berauben. Ipso facto - Caddy, meinen Driver. Caddy! Wo, zum Teufel, ist Ihr Caddy hin verschwunden?«
Doch der Dean hatte die Schläger in einen Bunker geworfen und eilte nach Hause.
16
Mittwoch morgen. Noch knapp vierundzwanzig Stunden. Der Dean hatte nur einen Wunsch: viele tausend Meilen weit weg zu sein, inmitten des Ozeans. Selbst in der Gesellschaft Sir Lancelots.
Seine erste Sorge galt dem Wetter. Nach Wochen strahlender Sonne hatte das Radio heute morgen in seiner üblichen gouvernantenhaften Weise vor bevorstehenden Strafen gewarnt: Donner, Blitz und Hagel. Nicht auszudenken, wenn die Königin naß würde! Seine zweite Sorge galt der offensichtlichen Unmöglichkeit, in St. Swithin irgendeine Probe abzuhalten. Seine dritte galt Samantha, die ihn in der Marmorhalle erwartete. Um punkt neun näherte er sich der automatischen Tür, doch rieb er seine Hände nicht mit der üblichen Fröhlichkeit.
»Lionel—«
»Samantha — «
Ihre Fingerspitzen berührten sich. Der Dean hatte das Gefühl, an den Stromkreis des Krankenhauses angeschlossen worden zu sein. Sie sah reizend aus in ihrem Kummer. Das braune Haar glänzte erregend wie immer, doch es umgab sie eine neue Weichheit, fand der Dean, als sei eine Schicht Email von ihr abgefallen.
»Es tut mir leid, daß meine telefonische Nachricht dich so früh hierher rief«, sagte der Dean, »wie war es gestern in der Greek Street?«
»Dein Anwalt war sehr tüchtig. Alles war in einer
Minute erledigt. Bis Dienstag in zwei Wochen gegen Kaution freigelassen. Wie du es zweifellos in allen Morgenzeitungen gelesen hast.« Sie schauderte. »Es war schrecklich in der Greek Street; das Geheul eines blutwitternden Schakals ist nichts gegen den Triumph eines Reporters, der Unrat aufspürt.«
»Ich jedoch habe einen Hoffnungsstrahl, Samantha. Mehr als einen Strahl - nach der dunklen Nacht deiner Verzweiflung geht die Sonne wieder auf. In der Gestalt von Mr. Humphrey Fletcher-Boote. Als ganz besondere Gefälligkeit willigte er ein, deinen Fall zu übernehmen und persönlich in der Greek Street zu erscheinen. Ich hätte es dir schon früher gesagt, aber ich wollte meiner Sache erst ganz sicher sein - während des Tages war er mit verschiedenen anderen Dingen beschäftigt, daher rief ich ihn abends nochmals an.« - Ihr Gesicht leuchtete auf. »Glaubst du, daß er einen Freispruch erreicht?«
»Freispruch? Selbstverständlich. Er wirkte wie ein Wimbledon-Sieger, der für ein kleines Spielchen in seinen lokalen Tennisklub zurückkehrt.«
»Lionel, wie kann ich dir jemals danken?« fragte sie atemlos.
»Bitte bring mich nicht in Verlegenheit. Übrigens, du mußt zu einem Psychiater gehen.«
»Oh.« Das Licht auf ihrem Gesicht erlosch.
»Tut mir leid, aber Fletcher-Boote besteht darauf.«
»Aber ich habe niemals auch nur daran gedacht, einen Psychiater zu konsultieren.«
»Es ist keine Schande. Und du wirst sehen, daß Dr. M’Turk sehr freundlich und umgänglich ist.«
»Wer ist Dr. M’Turk?«
»Der Psychiater. Eine Dame. Sie sieht aus wie ein Bild der Präraffaeliten, aber sie versteht ihr Metier. Auberon ist sehr beeindruckt von ihr.«
»Auberon? Was hat Auberon mit ihr zu tun?«
»Ach... weißt du, Dr. M’Turk und ihr Mann sind unsere Nachbarn. Auberon sah sie ein und aus gehen. Er war beeindruckt. Sie ist eine beeindruckende Frau. Besonders aus der Entfernung.«
Samanthas Unterlippe zitterte. »Und wie geht es Auberon?«
»Gut. Er ist ein wenig launisch. Aber das war zu erwarten. Heute ißt er mit seinem Verleger im Garrick-Klub zu Mittag. Er scheint eigentlich nichts anderes zu tun, als mit verschiedenen Leuten aus der Literaturwelt teuer zu speisen. Ein Schriftsteller muß ein furchtbar ungesundes Leben führen. Ich nehme an, viele von ihnen sterben an Fettsucht und Alkoholismus.«
Samantha schwieg. Der Dean kratzte sich am Ohr. Er fand es eine geniale Idee, Samantha zu demselben Psychiater zu schicken wie ihren Mann. Schon nach einer flüchtigen Prüfung von Auberons Psyche - so meinte der Dean - konnte Dr. M’Turk mit echter Überzeugung die Ansicht vertreten, daß Samanthas geistige Gesundheit durch ihren Ehegespons geschädigt worden war. Eine so ungewöhnliche Gelegenheit, dem Psychiater alle Fakten an die Hand zu geben, mußte man ergreifen. Schließlich durfte man nach
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