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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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zum Geringsten, dich erzogen zu haben, und dass mein Haus der Ausgangspunkt des Guten ist, das du hast und haben wirst. Ich aber habe mich wegen der Widrigkeiten, die ich erlebt habe und weiterhin habe, in meine Villa zurückgezogen, und manchmal erinnere ich mich einen Monat lang nicht mehr, wer ich eigentlich bin.[ 34 ]
    Diese Selbstvergessenheit dürfte jedoch nicht nur mit der Ungnade in Florenz, sondern auch damit zu tun gehabt haben, dass Machiavelli sich mehr mit den alten Römern als mit den Lebenden unterhielt.
    Zu dieser Stimmung, die zwischen Resignation und Auflehnung schwankte, passte die ehrgeizige literarische Arbeit, die Machiavelli am 17. Dezember 1517 in einem Brief an den Patrizier Ludovico Alamanni erwähnte:
Ich habe dieser Tage Ariosts Orlando Furioso gelesen, wirklich ein insgesamt schönes und an vielen Stellen wunderbares Gedicht. Wenn er da ist, empfehlen Sie mich ihm, und sagen Sie ihm, dass er mich unter so vielen Dichtern, die er aufführt, wie ein Stück Dreck unerwähnt gelassen hat. Was er mir im «Orlando Furioso» angetan hat, werde ich ihm in meinem «Esel» ersparen.[ 35 ]
    Der «Esel», mit vollem Titel «Vom goldenen Esel», ist eine autobiographische Fabel in acht Büchern und mehr als tausend Versen. Dass es bei der märchenhaft anmutenden Geschichte um Machiavelli geht, bleibt nicht lange verborgen. Der Dichter findet sich verloren in einem dunklen Wald wieder, bis ihm eine schöne Frau mit blonden Zöpfen inmitten einer Schar von Tieren begegnet. Diese kennt ihn nicht nur, sondern hat ihn bereits erwartet:
Und wenn du mich fragst, so antworte ich dir,
die Tiere, die du hier siehst,
waren einst auf der Welt Menschen wie du.[ 36 ]
    Dort waren sie in Ungnade gefallen und verbannt worden.
Und wenn du meinen Worten nicht glaubst,
so schau nur, wie sie dich umgeben,
und wer dich anschaut und wer dir die Füße leckt.
Und der Grund, warum sie dich betrachten,
ist, dass ihnen dein Unglück Leid tut.[ 37 ]
    Offensichtlich geht es den Menschen in Tiergestalt besser. Verwandelt hat sie – so viel verrät die schöne Unbekannte vorab – ihre Herrin, die Zauberin Circe. Um nicht im Wald zugrunde zu gehen, muss Machiavelli deren Dienerin folgen. Damit er nicht ebenfalls von Circe erkannt und verzaubert wird, hat er auf allen Vieren zu laufen, zwischen einem Hirsch und einem Bären. Auf Händen und Knien quält sich der Erzähler durch die Waldeinsamkeit zu einem hell erleuchteten Palast, in dem er endlich wieder aufrecht gehen darf. Dort erwarten ihn Annehmlichkeiten der Zivilisation wie Wasser und wärmendes Feuer, und kommt er auch seiner schönen Retterin immer näher. Nachdem er ihr des Langen und Breiten seine Dankbarkeit bekundet hat, erzählt sie ihm auf seinen Wunsch sein Schicksal:
Unter allen Menschen der Gegenwart und des Altertums,
so hob sie an, ertrug niemand
mehr Undank und größere Mühe als du.[ 38 ]
    Das hört der Erzähler gern, ebenso die nachfolgende Erklärung:
Das alles geschah nicht durch eigene Schuld,
wie es manchem geht, sondern weil sich das Schicksal,
deinem guten Handeln entgegen stellte.[ 39 ]
    Die feindliche Glücksgöttin hat Machiavelli also in den dunklen Wald getrieben. Und nicht nur sie beobachtet sehr genau, wie ihr Opfer reagiert:
Doch Weinen steht einem Mann immer schlecht zu Gesicht,
den Schlägen des Schicksals muss er stattdessen
trockenen Auges das Antlitz zuwenden.[ 40 ]
    Zu Verzweiflung besteht auch kein Anlass. Wie die Planeten sich drehen, so ist auch auf Erden alles in Bewegung, auf Frieden folgt Krieg und umgekehrt, die Mächte steigen auf und stürzen ab. Alles fließt, doch für Machiavelli ist höchste Vorsicht geboten:
Noch hat der Himmel seine Meinung nicht geändert,
und das wird er auch nicht tun,
solange das Schicksal dich weiterhin straft.[ 41 ]
    Noch ist die Rachsucht Fortunas nicht gestillt. Dieser Tag wird kommen, doch bis ihm der Himmel wieder günstig gesinnt ist, soll der Dichter mit der Schönen zusammen unter ihren Tieren weilen. So hat es die Vorsehung beschlossen: Wer von den Menschen nichts als Undank zu erwarten hat, wendet sich besser von ihnen ab und freundlicheren Lebewesen zu.
    Freundlich zeigt sich ihm weiterhin auch seine Gastgeberin. Es kommt, wie es bei Machiavelli kommen muss: Zärtliche Worte ziehen Küsse nach sich, das Liebespaar landet im Bett. Dort stärkt es sich erst einmal mit einer anständigen Mahlzeit. Währenddessen wird dem Dichter beklommen zumute: Ist er den Ansprüchen der schönen

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