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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Königreich Neapel, nicht aber Piemont, Venedig und Sizilien. Doch Machiavelli wäre nicht Machiavelli, wenn nicht auch dieser scheinbar rein sprachgeographische und sprachtheoretische Diskurs zutiefst politisch eingefärbt würde.
    Man muss seinem Vaterland dienen, auch wenn es sich als undankbar erweist: So lautet die Maxime des Discorso. Gegen sie verstieß ausgerechnet der größte der italienischen Dichter, Dante Alighieri. Deswegen macht ihm Machiavelli zweihundert Jahre nach seinem Tod den Prozess. In dessen Verlauf nimmt er den Verfasser der Göttlichen Komödie in ein unbarmherziges Kreuzverhör. In diesem Frage- und Antwort-Spiel stellt sich heraus, dass der illustre Angeklagte gelogen hat. Er behauptet, sein Werk in einer lingua curiale verfasst zu haben. Auf Machiavellis Frage, was er damit meine, antwortet Dante:
Das bedeutet eine Sprache, wie sie von den Männern am Hof des Papstes oder eines Herzogs gesprochen wird. Denn diese Männer sind literarisch gebildet und sprechen besser als in jeder einzelnen Gegend Italiens.[ 48 ]
    In diesem Sinne versucht Dante, die Sprache seiner Dichtung als gemischt nachzuweisen: Diese Wendung stamme aus der Lombardei, jene direkt aus dem Lateinischen, eine dritte sei seine ureigene Erfindung. Doch mit solchen Aussagen gibt sich der erzürnte Sprachanwalt Machiavelli nicht zufrieden. Er bohrt nach und führt seinerseits Verse an, die deren Verfasser in die Enge und schließlich zum Geständnis treiben: alles Toskanisch!
    So sprang man mit einem Dichterfürsten nicht um. Wenn es um Dante ging, war in Florenz der Ton höchster Verehrung angesagt. Doch es kam noch viel schlimmer. Der Dichter der Göttlichen Komödie wird nicht nur als Lügner, sondern auch als Vaterlandsverräter verurteilt:
Ich werde mich also auf Dante konzentrieren. Dieser erweist sich in jeder Hinsicht, durch Geist, Gelehrsamkeit und Urteil, als exzellent – außer dort, wo er über sein Vaterland Florenz schreibt. Dieses nämlich verfolgte er gegen alle Menschlichkeit und gegen jede philosophische Bildung mit allen nur denkbaren Arten von Beschimpfungen. Und da er sich nicht anders als durch Beleidigungen rächen konnte, beschuldigte er Florenz aller Laster, verdammte seine Bewohner, tadelte seine Lage und sprach abträglich von seinen Sitten und Gesetzen. Und das tat er nicht nur in einem Teil seines Gesanges, sondern überall und auf alle nur denkbare Art und Weise: So hart hatte ihn das Exil getroffen! Und so sehr sehnte er sich nach Rache! Und deshalb tat er in dieser Hinsicht so viel er nur konnte. Und wenn Florenz zufällig etwas von den Übeln, die er seiner Heimatstadt vorhersagte, zugestoßen wäre, hätte Florenz sich mehr als über jedes andere Unglück darüber zu beklagen gehabt, diesen Mann genährt und aufgezogen zu haben.[ 49 ]
    Pfui, Dante, wie konntest du nur so undankbar sein! So emotional liest sich diese Anklage. Doch in Wirklichkeit geht es längst um Machiavelli selbst, der der Meinung war, ihm sei von Florenz dasselbe Unrecht zugefügt worden wie Dante. Ja, noch härter als den großen literarischen Jenseitswanderer habe es ihn, Niccolò Machiavelli, getroffen: Während Dante nach seiner Verbannung immerhin komfortable Refugien bei benachbarten Fürsten fand, lebte Machiavelli als ein Fremdling im eigenen Lande. Aber anders als Dante versündigte er sich nicht an seinem Vaterland.
    Gegen Ende der Abhandlung werden Probleme des Stils erörtert, die Machiavelli aus aktuellem Anlass beschäftigten. Auch sprachlich ist der gefeierte Großdichter Dante für Machiavelli keineswegs das unbestrittene Vorbild. So werden ihm nicht nur geschwollene, sondern auch vulgäre und sogar obszöne Redewendungen vorgeworfen. Meinte der Dichter des «Goldenen Esels», der selbst wahrlich kein Blatt vor den Mund nahm, diese Kritik an einer unanständigen Redeweise wirklich ernst? Wohl kaum. Hinter dem prüden Tadel verbirgt sich die Rechtfertigung für eigene literarische Freizügigkeiten, bereits begangene und in nächster Zukunft geplante:
So behaupte ich weiter, dass viele Texte geschrieben werden, die ohne die dazugehörige Ausdrucksweise nicht schön sind. Von dieser Art sind die Komödien. Denn obwohl der Zweck einer Komödie darin besteht, dem privaten Leben einen Spiegel vorzuhalten, müssen sie mit einer gewissen Eleganz und mit einer Ausdrucksweise verfasst werden, die zum Lachen reizt. Nur so ziehen die Menschen daraus die erhoffte Unterhaltung und den Nutzen, der dahinter stehen soll.

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