Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Und deshalb stehen Personen im Vordergrund, mit denen man schwerlich auf ernste Art verkehren kann: In einem betrügerischen Diener, in einem verspotteten Alten, in einem vor Liebe verrückten Jungen, in einer schmeichlerischen Hure und in einem verfressenen Schmarotzer nämlich ist kein solcher Ernst. Doch lassen sich aus einem solchen Ensemble von Menschen sehr wohl ernste und für unser Leben nützliche Lehren ableiten.[ 50 ]
Daraus lässt sich schließen, dass Machiavelli mit seinen eigenen Komödien die Leser oder Zuschauer belehren wollte. Ein erstes Lustspiel aus seiner Feder trug den Titel «Die Masken», ist aber nicht erhalten. Machiavellis Enkel hielt den Text aus dem Jahr 1504 für nicht überlieferungswürdig, da darin lebende Persönlichkeiten von hoher und höchster Prominenz verspottet würden – schade!
Machiavellis zweite Komödie Andria entstand um 1517/18. Ihre Handlung verleugnet die Vorlage des römischen Komödiendichters Terenz nicht; gleichwohl ist sie mehr eine freie Nachdichtung als eine reine Übersetzung. Panfilo, Sohn aus besserem Athener Hause, liebt die junge Glicerio (griechisch «die Süße»). Diese gilt als Schwester der kürzlich verstorbenen Hetäre Criside («die Goldene»). Sie kommt also für eine Heirat mit einem Sohn aus respektabler Familie nicht in Frage, umso weniger, als Panfilos Vater Simo seinen Sohn um jeden Preis standesgemäß verheiraten möchte. Dafür hat er eine Tochter seines Freundes Cremete auserkoren. Dieser ist einverstanden, vorausgesetzt, die Eheschließung lässt sich auf anständige Art und Weise herbeiführen. Dieser Vorbehalt kommt nicht von ungefähr, hat Panfilo doch in Athen einen gewissen Ruf. So hat ihn seine Verliebtheit in Glicerio nicht davon abgehalten, eine andere Frau zu schwängern. Auch Panfilos Freund Carino möchte die Tochter Cremetes ehelichen und erhält dafür Panfilos Einwilligung. Da Panfilo jedoch, um die Pläne seines Vaters zu durchkreuzen, zeitweise vortäuschen muss, er wolle selbst Cremetes Tochter heiraten, hält ihn Carino für wortbrüchig, was er in diesem Fall nicht ist – ausnahmesweise.
Die Wünsche des Sohnes und des Vaters sind also unvereinbar, womit Davo, Panfilos schlauer Diener, auf den Plan tritt. Er soll das Problem im Sinne seines jungen Herrn lösen. Seine Strategie besteht darin, Panfilos Ruf restlos zu ruinieren, sodass ihn Cremete nicht mehr als Schwiegersohn akzeptiert. Zu diesem Zweck lässt er Panfilos frisch geborenes Knäblein auf der Schwelle von Cremetes Haus ablegen. Dieser soll sehen, was für ein Wüstling in seine ehrbare Familie einheiraten will. Die Ehe ist damit geplatzt, die Konfusion komplett und der Ärger auf allen Seiten groß – bis urplötzlich Crito auftaucht, der den Knoten löst. Er weiß zu berichten, dass Glicerio einst als Schiffbrüchige auf die Insel Andros verschlagen wurde – daher der Titel Andria, «die aus Andros» – und in Wirklichkeit Cremetes Tochter ist. Als solche darf sie jetzt den Tunichtgut Panfilo heiraten. Dieser erhält dazu noch eine üppige Mitgift. Als Schwiegersohn Cremetes hat Panfilo jetzt Gelegenheit, ein gutes Wort für seinen Freund Carino einzulegen, damit dieser Glicerios Schwester heiraten kann. Doch ob sich der belohnte Betrüger Panfilo zu diesem Freundschaftsdienst jetzt, da seine Strategie aufgegangen ist, noch herablässt, bleibt offen.
Die Handlungsführung ist durch die Abhängigkeit von Terenz’ Komödie Eunuchus unselbständig und für den Leser unbefriedigend. Davos Intrige kann zwar die erzwungene Heirat durchkreuzen, doch zum Ziel führt sie nicht. Diese Auflösung bringt erst der Deus ex machina Crito zustande. Der Reiz des Stücks liegt denn auch nicht im Plot, sondern in der Virtuosität des Betrugs, seinem eigentlichen Thema. Auch wenn sich am Ende alles in eitel Harmonie aufzulösen scheint, steht Cremete, der sich so viel auf die Ehre seines Hauses zugute hält, doch betrogen da: Für seine eben zurückgewonnene Tochter bekommt er einen Schwiegersohn von zweifelhaftem Leumund. Doch das tut seiner Zufriedenheit keinen Abbruch, er betrügt sich also selbst. Reich belohnt hingegen werden die Betrüger. Die hohe Kunst des inganno, der Täuschung, führt Davo vor Augen. Er jongliert mit Lüge und Wahrheit, Schein und Sein, so virtuos, dass es nicht nur seinem Herrn, sondern auch dem Leser oder Zuschauer schwindlig wird. Bezeichnenderweise formuliert er sein Motto in einer rhetorischen Frage:
Glaubst du etwa, dass es einen
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